Seildicke Goldketten, faustgrosse Platinringe und tellergrosse Ketten-Anhänger mit bunten Edelsteinen. Dieser Schmuck ist ein Spiel der Superlative. Denn Hip-Hop ist mehr als Musik. Er ist Style.
«Hip-Hop ist aus dem Jazz hervorgegangen und in der breiten Kultur der afroamerikanischen Geschichte verwurzelt», erklärt die US-Amerikanerin Vikki Tobak, die Autorin von «Ice Cold» . «Wie Hip-Hop aussieht, ist von Anfang an eng mit der Musik verknüpft.»
«Mein Schmuck ist mein Superhelden-Anzug», bringt es der 57-jährige US-Rapper Slick Rick auf den Punkt. «Ich erzähle mit meiner Kleidung und meinem Schmuck Geschichten, genauso, wie ich sie mit Beats und Reimen erzähle.»
Von Dealern inspiriert
Bereits in den Anfängen des Hip-Hops, in den 1970er-Jahren, war Schmuck ein Thema. «Die frühen Hip-Hop-Macher schauten auf Leute in ihrer Gemeinschaft, die es in ihren Augen geschafft hatten», erklärt Vikki Tobak. «Das waren oft Stricher, Drogendealer, Leute von der Strasse, die Geld verdienten. Die jungen Rapper eiferten ihnen nach.»
Als Geburtsstunde des Hip-Hops gilt die berüchtigte Party, die Kool Herc und seine Schwester in ihrem Wohnhaus in der Bronx 1973 gaben. Kool Herc und andere trugen Schmuck – allerdings nur Lederschmuck und Perlen. Kurtis Blow war 1980 der erste Rapper, der Goldketten auf dem Cover seines Debütalbums trug.
Die Ketten wurden populärer – und vor allem dicker. Anhänger mit Initialen oder Namen baumelten daran. Aber auch Jesusdarstellungen, ägyptische Motive und Mercedes-Sterne. Klobige Ringe schmückten erst einen Finger, bald die ganze Hand.
Kassenschlager Hip-Hop-Schmuck
Grosskotzig war das, angeberisch und konsumfreudig. Die Hip-Hop-Kultur adelte selbst Strassenkluft. Run DMC war die erste Formation, die einen Deal mit einem Sportartikelhersteller einging: wegen ihres Songs «My Adidas».
Als ein Manager bei einem Konzert sah, wie ihre Fans dazu ihre Turnschuhe hochhielten, erkannte er das Potenzial von Hip-Hop. Zum Vertrag schenkte er Run DMC goldene Seilketten mit einem Turnschuh dran. «Diese Ketten wurden Teil ihres Looks», erzählt Vikki Tobak. Aus Hip-Hop-Schmuck ist über die Jahre eine Wertschöpfungskette geworden.
Bald folgten Platin und Edelsteine aufs Gold, auch Diamanten, im Hip-Hop-Slang «Ice» genannt. Die Juweliere der Schmuckstücke, wie «Jacob the Jeweler», wurden ebenfalls zu Stars.
Vorbild Maya-Kultur?
Dass Schmuck noch andere Referenzen hat als die Armenviertel der USA, zeigen die «Grillz» – kultige Zahnverzierungen aus Gold und Steinen, die wie Spangen getragen werden.
«Die ersten Menschen, die sich damit schmückten, waren wohlhabende Frauen zu Zeiten der Etrusker in Italien», erzählt Vikki Tobak. «Und auch die Mayas verzierten ihre Zähne mit Jade.»
Bling-bling birgt auch Gefahr
Doch immer wieder wurden Rapper wegen ihres Schmucks getötet. Unlängst der 30-jährige PnB Rock in einem Restaurant in Los Angeles. Das ist die Kehrseite dieser glänzenden Geschichte.
Vielleicht führt sie zum Ende des Grössenwahns. Denn Vikki Tobak macht ein Umdenken in der Hip-Hop-Szene aus. «Leute wie Jay-Z oder Nas fordern, Unternehmen und Industrien aufzubauen, um Wohlstand für Generationen zu schaffen.»
Das, so meint Tobak, wäre die wirkliche Grösse des amerikanischen Traums. Schmuck im Hip-Hop wäre also einer der Schlüssel dazu – ein hochkarätig verzierter.