Die Popmusik wird weltweit vielsprachiger, das zeigt eine Studie des amerikanischen Datenerhebungsunternehmens Luminate. Dank Internet und Streamingdiensten sind Songs heute einfacher zugänglich. Das fördert die musikalische Diversität. So macht englischsprachige Musik nur noch 56 Prozent der weltweiten Streams aus, 2021 waren es noch 67 Prozent.
In der Schweiz sind knapp 61 Prozent der Songs, die im ersten Halbjahr 2023 gestreamt wurden, in englischer Sprache, gefolgt von Hochdeutsch (rund 15 Prozent) und Französisch (8 Prozent). Dann folgen Spanisch (4 Prozent) und Italienisch (2 Prozent).
7,5 Millionen Streams Vorsprung
Letztes Jahr schafften es Songs in Schweizerdeutsch noch auf den sechsten Platz. Doch 2023 steht dort nun eine andere Sprache: Albanisch (1,2 Prozent). Zwar beträgt der Unterschied zum Schweizerdeutschen nur gerade 0,1 Prozent. In effektiven Zahlen ausgerechnet sind das aber immerhin 7,5 Millionen Streams mehr.
Die international erfolgreiche Schweizer Sängerin Ilira vermutet, dass Aktivitäten in sozialen Medien ein Grund für die Veränderung sind: «In Albanien und Kosovo gibt es noch keine Musikindustrie mit Verlagen, Labels und Promotionsfirmen. Darum sind die Musikschaffenden selbst sehr aktiv auf Youtube und in anderen sozialen Medien.»
Mehr Promotion führt zu mehr Sichtbarkeit. Hinzu kommt, dass die Streaming-Plattform Spotify in der Schweiz keine eigene Redaktion betreibt. Schweizer Playlists werden von Berlin aus kuratiert.
Deshalb schaffen es schweizerdeutsche Songs kaum auf internationale Playlists. Albanischsprachige Musikschaffende haben dagegen eine grössere Chance, auf so einer Liste zu landen, denn die albanische Community verteilt sich auf die ganze Welt.
Ava Max als Avantgarde
Tatsächlich ist Musik von albanischen Musikschaffenden nicht nur in der Schweiz auf dem Vormarsch. Namen wie Dua Lipa, Bebe Rexha, Ava Max und Era Istrefi haben es in den letzten Jahren mit englisch- und albanischsprachigen Songs zu Weltruhm geschafft.
«Albanische Musik holt viele Nationalitäten ab, die Melodien sind international und die Musik hat türkische und westliche Einflüsse. Das heisst, dass viele Leute etwas finden, das sie anspricht», erklärt Ilira, die als Tochter kosovo-albanischer Eltern in Brienz aufwuchs.
Ein Stück Heimat
Auffällig ist, dass auch die Liste der meistgehörten Mundartsongs in der Schweiz von einem Rapper angeführt wird, der albanische Wurzeln hat: EAZ. Er vermutet: «Albanische Musik wird nicht nur von Jugendlichen gehört, sondern auch von älteren Menschen. Es ist immer etwas anderes, Musik in der Muttersprache zu hören, weil es ein Stück alte Heimat bringt.»
Der Aufstieg albanischer Stars auf dem internationalen Parkett und die Schweizer Streamingzahlen machen deutlich: Die albanische Community hat Talent. Warum das so ist, könne er auch nicht erklären, sagt Marash Pulaj, Rapper und Co-Moderator bei der «Fol Shqip Show», einer albanisch-schweizerischen Comedyshow.
Vielleicht würde die Nationalität aber auch keine Rolle spielen. «Bei Musik verschwimmen die Grenzen. Wenn einem die Melodie und der Song gefällt, ist es egal, in welcher Sprache gesungen wird», sagt Marash Pulaj.