Unter einer Discokugel steht im Landesmuseum ein Baugerüst, daran ein Plakat mit der Aufschrift «Happy People Zürich». Die Installation erinnert an Love-Mobiles, die üppig dekorierten Trucks, die an der Street Parade fröhliche Raverinnen und Raver rund um das Zürcher Seebecken kutschieren.
1992 fand die Street Parade zum ersten Mal statt, heute ist sie die grösste Technoveranstaltung weltweit. Die Beats und das Tanzen vereinen seither Menschen aller Generationen, rund um den Globus.
Um in die Technokultur und ihre Geschichte einzustimmen, ist in der Ausstellung im Landesmuseum Zürich ein Plattenladen nachgebaut: Ausgestellt sind in dem hell beleuchteten Raum die Originalcovers von Technoplatten.
Zu hören gibt es via Kopfhörer die musikalische Geschichte des Techno in verschiedenen Tracks. Die vielfältigen Subgenres widerspiegeln sich auch in den aufgehängten Plakaten. Von hier an wird es dunkel in der Ausstellung, zwielichtig und verführerisch.
Die Nacht ist zum Tanzen da
Mit dem Techno wurde in den späten Achtzigerjahren das Nachtleben geboren. Die Stadt Zürich etwa hatte noch bis in die Neunzigerjahre eine Polizeistunde. Getanzt wurde bis dahin bestenfalls in gepflegten Dancings.
Mit illegalen Bars und Partys im öffentlichen Raum – etwa in Unterführungen oder im Freien – veränderte sich das Ausgehverhalten. Als «Ur-Rave» wird heute eine Party im Zürcher Kino Walche angenommen, die bereits 1984 stattfand und bei der ordentlich randaliert wurde.
Die Technokultur hat nicht nur das Nachtleben, sondern auch das Grafikdesign und die Mode beeinflusst. Wie visuell Techno ist, zeigt sich an den Flyern, die aus vierzig Jahren zusammengetragen und in Vitrinen prominent ausgestellt sind. Hier zeigt sich die grafische Vielfalt der Technokultur.
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Bild 1 von 4. Bis vor Kurzem stand dieser Gorilla noch im Zürcher Club Zukunft, der am vergangenen Wochenende schloss. Nun sitzt «Mirai» im Landesmuseum. Bildquelle: Club Zukunft / Schweizerisches Landesmuseum.
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Bild 2 von 4. Wild kombiniert – und in der Austellung zu sehen: Catsuit und Teddy-Jacke bilden einen typischen Techno-Look der 90er-Jahre. Bildquelle: Susanne Bartsch/Schweizerisches Nationalmuseum.
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Bild 3 von 4. Reinkommen ist alles: Diese Stahltür stand von 1991 bis 2005 im damals wohl berühmtesten Berliner Techno-Club, dem «Tresor». Bildquelle: Privatsammlung Dimitri Hegemann/Schweizerisches Nationalmuseum.
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Bild 4 von 4. Er macht das Nz, nz, nz: Einfach zu bedienen und aggressiv im Klang elektrisiert der Synthesizer Korg MS-20 ab den 1980er-Jahren nicht nur die Schweizer Jugend. Bildquelle: Schweizerisches Nationalmuseum.
Von selbstgebastelten Stempelaufdrucken bis zu professionell gestalteten Flyern von Clubs ist das kreative Potenzial umwerfend. «Gib Gas» steht da etwa in für damalige Zeiten ungewohnten Schriften. Die abgebildeten Motive reichen von Weltraum bis Wüste – und zeugen von einer gewissen Selbstironie.
Den Körper feiern
Das gilt insbesondere auch für die vielen einzigartigen Outfits, die im letzten Teil der Ausstellung zu sehen sind. Das lustvolle Inszenieren von Körpern und das exzentrische Spiel mit Geschlechterrollen finden sich etwa in Ganzkörperanzügen aus Latex und Leder. Anzüge aus winzigen Spiegeln und BHs aus Fell ziehen den Blick auf sich, Strapse und Spitze dominieren.
Diese allererste «Clubwear» zeichnet sich aus durch ein wildes Kombinieren, das heute längst salonfähig ist. Unterwäsche mit Pelzjacken, Strickmützen mit Schwimmbrillen, dazu Stiefel mit Schaft bis zum Hintern oder faustdicke Plateausohlen. Das Ausschweifende ist Programm, ebenso Neonfarben, asymmetrischen Schnitte und futuristische Materialien.
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Bild 1 von 4. Laute Bässe, Schweiss und Trockeneis. Techno hat das Nachtleben verändert. Party 1994 im Zürcher Limmathaus, wo bald darauf das Palais X-tra einzog. Bildquelle: Rita Palanikumar.
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Bild 2 von 4. «Gib Gas» gibt Durst. Erfrischungspause in der Toilette des Limmathauses. Bildquelle: Rita Palanikumar.
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Bild 3 von 4. Unterm Sternenhimmel die Nacht durchtanzen: Auch Raves im Freien sind beliebt, wie hier 1995 am Üetliberg. Bildquelle: Rita Palanikumar.
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Bild 4 von 4. Als sich Techno von der Subkultur zum Massenphänomen wandelt, werden neue Orte gesucht. So wandelt sich das beschaulichen Roggwil im Kanton Bern zum Techno-Hotspot: Im alten Fabrikareal der Spinnerei Guggelmann finden in den 90ern grosse Raves statt. Bildquelle: Rita Palanikumar.
Wie sich Menschen in der Technoszene ausdrücken, wie die besondere Energie einer gemeinsam durchfeierten Nacht bis zur Erschöpfung zelebriert wird, davon erzählen auch die Fotografien aus den Neunzigerjahren. Aufgenommen in Clubs, leerstehenden Fabrikhallen und im Freien widerspiegeln sie eine Kultur, deren Freude am Experimentieren auch nach fast einem halben Jahrhundert unerschöpflich ist.