Singvögel sind wahre Gesangstars. In Europa singen meist die Männchen. Ihre wohltönenden Melodien und atemberaubenden Triller kommen nicht nur bei den Vogelweibchen gut an.
Sie entzücken auch die Menschen. Sie dienen seit jeher als Inspirationsquelle für Komponistinnen und Dichter.
Vogelgesang wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden aus. Das bestätigt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin. «Vogelgesang vermindert Angst, Trauer und irrationale Gedanken», sagt die Studienleiterin Simone Kühn. «Ganz im Gegensatz zu Motorenlärm – der verschärft psychische Probleme. Vogellieder dienen als Prävention für psychische Krankheiten. Wir vermuten, dass Vogelgesang sogar bei der Heilung von Depressionen und Angsterkrankungen hilfreich sein kann. Das wollen wir als nächstes erforschen.»
Warum wirken Vogelgesänge so stark auf uns? «Vögel singen bisweilen auch dann, wenn weder Weibchen noch Konkurrenten in der Nähe sind. Während ein Vogel singt, schüttet sein Gehirn Glückshormone aus. Die bescheren dem Sänger positive Emotionen», erklärt der Biologe und Verhaltensforscher Carel ten Cate von der Universität Leiden.
Singen ist Balsam für die Seele
Wenn Menschen singen, passiert das gleiche. Die ausgeschütteten Endorphine erheitern die Singenden. Wenn singen glücklich macht, wäre es nicht auch möglich, dass schon nur das Hören von Vogelgesang uns positiv stimmt?
Bis heute rätseln Forschende, warum Vogellieder die Menschen erheitern. Die Tatsache, dass das Singen Glückshormone freisetzt, liefert einen Hinweis auf die Zusammenhänge.
Singvögel als Lehrmeister
Vögel und Menschen können singen. Das wirft die Frage auf, ob die Menschen bei den Vögeln singen gelernt haben. Der Vogelstimmen- und Verhaltensforscher Carel ten Cate winkt ab. «Das Singen dient immer der Erhaltung der Art. Wenn Eltern mit ihren Säuglingen kommunizieren, geben sie hohe Laute von sich, damit sie ähnlich klingen wie ihre Kleinen. Sie sprechen in einem Singsang mit ihnen. Daraus hat sich wohl das Lied entwickelt.»
Anton Bierl, der Leiter des Fachbereichs griechische Philologie an der Uni Basel, sieht das ganz anders. «Durch die ganze Antike zieht sich die Überzeugung, dass die Menschen nicht nur den Gesang, sondern auch den Tanz und die Sprache den Vögeln verdanken. Das sehen wir schon beim frühen Dichter Alkman. Er schreibt, dass er sein Lied und seine poetische Sprache nach langem Lauschen dank des Vogelgesangs gefunden hat.»
Bis heute gibt es Dichtende und Musikerinnen und Musiker, die sich dieser Gesinnung anschliessen. «Ich weiss nicht, ob es stimmt», sagt der Schweizer Blockflötist Maurice Steger. Er imitiert auf seinem Instrument oft Vögel. In der Barockzeit waren Vogelstimmen ein beliebtes Motiv der Komponisten. «Aber ich kann es mir lebhaft vorstellen. Die Natur hat einen Klangschatz, der seinesgleichen sucht.»
Die Sendung «Passage» steht für radiophone Exzellenz auf SRF 2 Kultur. Hier verbinden sich Wort und Musik, Ton und Stille.
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