Anfang der 2000er-Jahre setzt sich Howard Shore mit seinem Soundtrack zu Peter Jacksons «Herr der Ringe»-Trilogie schon zu Lebzeiten ein Denkmal – und räumt gleich mehrere Oscars, Golden Globes und Grammys ab.
«Der Herr der Ringe» sei für ihn das herausforderndste und dankbarste Projekt seiner gesamten Karriere gewesen, erzählt der 77-Jährige rückblickend: «Ich habe über 100 Leitmotive und Themen entwickeln müssen, um die Geschichte zu erzählen.»
Er orientiert sich am Leitmotiv-Prinzip Richard Wagners und entwirft für jeden Ort und jede Lebensform Mittelerdes eine eigene Melodie. Für die Orks und Uruk-hai wählt er zum Beispiel kriegerische, stampfende Rhythmen. Die Hobbits dagegen begleiten beschwingte Flöten- und Geigenmelodien.
Die Natur als Wegweiser
Bevor er die erste Note zu Papier bringt, beschäftigt er sich monatelang mit Tolkiens Welt. «Ich glaube, dass ich mich durch die Liebe zur Natur mit Tolkien verbunden gefühlt habe», erzählt der Kanadier. Denn die Natur ist für ihn eine grosse Inspiration.
Howard Shore lebt selbst auf einem ländlichen Anwesen aus dem 19. Jahrhundert bei New York. Er hat es zusammen mit seiner Frau restauriert und auch den Garten neu angelegt. «Umso schöner der Garten wurde, umso besser wurden meine Kompositionen. Die Natur wurde mein Wegweiser beim Komponieren.»
Goodbye Rockstar-Dasein
Howard Shore komponiert schon mit zehn Jahren seine ersten Stücke. Als Kind lernt er Klarinette spielen, später kommen Klavier, Saxofon und Flöte dazu. Nach seinem Musikstudium am Berklee College of Music in Boston macht er sich in den 1970er-Jahren als Saxofonist der kanadischen Fusion-Band «Lighthouse» einen Namen.
Er tourt mit Stars wie Janis Joplin, spielt im Vorprogramm von Jimi Hendrix. Doch 250 Konzerte pro Jahr, dazu acht Albumproduktionen – das ermüdet ihn. Ausserdem will Shore seine eigene Musik komponieren. Er lässt den Glamour des Rockstar-Daseins hinter sich und wagt den Schritt in die Selbständigkeit.
Howard Shore als musikalischer Comedian
Ab 1975 arbeitet er fürs US-Fernsehen. Als Mitbegründer und musikalischer Leiter der legendären Comedyshow «Saturday Night Live» komponiert er Musik für die Show. Und er tritt in verschiedenen musikalischen Sketchen auf, an einem Abend gemeinsam mit Dan Aykroyd und John Belushi.
Mit einer Ansage erfindet Howard Shore mal eben den Bandnamen «Blues Brothers»: «Ich habe sie als ‹two brothers in blues› vorgestellt.» Was ursprünglich nur als Gag gedacht war, entwickelte schnell ein Eigenleben. Mit ihrem unverwechselbaren Mix aus Blues, Soul und Comedy wurden die «Blues Brothers» zur Kultband.
Sein Stil ist die Vielseitigkeit
Während seiner Zeit bei «Saturday Night Live» schreibt Shore 1978 auch seinen ersten Soundtrack, zum Thriller «Im Bannkreis des Todes» von Murray Markowitz. Anfang der 1980er-Jahre wechselt er dann endgültig zur Filmmusik. Seine Liebe für experimentelle Musik, für Jazz, Klassik und Oper lässt er in seine Soundtracks einfliessen.
Seit den späten 1970er-Jahren hat Howard Shore insgesamt fast 100 Soundtracks für Filme, Fernsehserien und Videogames geschrieben und dafür unzählige Preise und Nominierungen erhalten. Der 77-Jährige wird weltweit für seine Experimentierfreude und sein schier grenzenloses Klangspektrum geschätzt.
Was sein Geheimnis ist? Er komponiere jeden Tag. «Und jeder Tag ist ein neues musikalisches Abenteuer.»