Es ist sommerlich heiss an diesem Sonntagnachmittag. Und heiss laufen auch die Handys der Dutzenden von Gamern, die sich trotz der Hitze beim Berner Casinoplatz eingefunden haben.
Sie stehen rum oder sitzen auf dem Asphalt. Ein Mann mit grauen Haaren fällt ins Auge. René ist 56 Jahre alt und spielt inmitten der Kinder und Jugendlichen «Pokémon Go». Warum?
«Mein Sohn, der in Mexiko lebt, war die letzten fünf Wochen hier in den Ferien. Beim Familienfest spielte er ‹Pokémon Go› mit meinem älteren Sohn, der früher schon Pokémon-Karten gesammelt hat. Schnell war klar, dass der Vater auch mitmacht,» erzählt René.
Sightseeing wäre sonst langweilig
Beim Pokémonspielen bewegt man sich mehrheitlich durch die Stadt. Bei vielen Sehenswürdigkeiten gibt es die sogenannten Pokestops.
Diese kann man auf dem Display des Handys antippen und man erhält neue Bälle und anderes Equipment, um die Pokémons einzufangen.
«‹Pokémon Go› zu spielen war eine gute Gelegenheit, um meinem 15-jährigen Sohn die Stadt Bern näherzubringen. Sehenswürdigkeiten anzuschauen würde ihn wahrscheinlich normalerweise langweilen», sagt René lachend.
Unterdessen ist sein Sohn wieder in Mexiko. Doch René spielt noch weiter. Am Montag beginnt wiederder Berufsalltag – wieder Pokémon-frei.
Nicht auf dem Sofa
Auch der 53-jährige Henry spielt «Pokémon Go» wegen seiner beiden Söhne, sechs und elf Jahre alt. Er erklärt: «Mir gefällt beim Spiel, dass man unterwegs ist, dass es im Lebensraum stattfindet, nicht einfach auf dem Sofa, sondern draussen. Und ich finde es schön, dass man immer wieder Leute trifft, die das auch spielen.»
Artikel zum Thema
- «Pokémon Go»: Die Monster sind los! «Pokémon Go»: Die Monster sind los!
- Und Go! Wie Augmented Reality jetzt die Massen steuert Und Go! Wie Augmented Reality jetzt die Massen steuert
- «Pokémon Go» in Auschwitz: Wo sind die Grenzen beim Monsterspass? «Pokémon Go» in Auschwitz: Wo sind die Grenzen beim Monsterspass?
- «Pokémon Go ist eine Gelddruckmaschine» «Pokémon Go ist eine Gelddruckmaschine»
Gemeinschaftsgefühl wegen Pokémons
Doch wo steckt das Verbindende? Es wirkt eher, als würde jeder für sich spielen. Nebeneinander, nicht miteinander.
«Das Gemeinschaftsgefühl ist schon da», meint Herny, «wir starren zwar alle auf den Bildschirm, aber wir kommunizieren miteinander».
Der eine sehe das Pokémon zuerst und dann erführen die anderen, was geschehe und ob es gefangen wurde. So gäbe es einen Austausch.
Omi jagt mit ihren Enkeln
Zusammen etwas erleben – darum ging es auch Dori. Die 68-Jährige hat sich mit ihren beiden Enkelsöhnen verabredet. Diese kommen von Muri, sie selbst von Bümpliz. Meistens treffen sie sich hier beim Casinoplatz und dann heisst es: Pokémons jagen.
Grossmama Dori zu «Pokémon Go» zu bringen, war kein Problem, erzählt der elfjährige Leandro: «Wir haben sie einfach gefragt, ob sie mit uns in der Stadt ‹Pokémon Go› spielen will. Dann hat sie direkt ‹Ja› gesagt.» Sie haben Dori das Spiel aufs Handy geladen – und seither spielen sie.
Von einer Stadt zur anderen
Auf dem Casinoplatz ist auch die 50-jährige Nadja aus dem Wallis. Mit ihrem Mann ist sie auf einer Motorradtour. Gerade waren sie in Luzern, jetzt in Bern, in allen Städten spielen sie «Pokémon Go».
Angefangen hat auch Nadja wegen ihres Sohnes. Der 21-Jährige spielt Pokémon seit Jahrzehnten in allen Variationen. Mit dem Spiel hat sie Zugang zu seinem Freundeskreis gefunden: Bei einem Glas Wein habe man sich über die gefangenen Pokémons unterhalten.
Röstigraben, ade?
«Pokémon Go» verbindet also Kinder und Jugendliche mit den Erwachsenen. Und offenbar macht es allen Beteiligten Spass. Und wer weiss – vielleicht verbindet «Pokémon Go» auch die Landesteile.