Wenig Fotos, viel Grau, eine Menge Text. Es ist nicht besonders schön hier im Darknet. Eher Baltimore als Bali, eher Drogensumpf als Ferienparadies. Ausserdem ist es langsam, dieses Darknet. Videos gibt es auch keine, geschweige denn Google. Mühsam navigiere ich von Seite zu Seite: ein beschwerliches Vorankommen. Es fühlt sich ein bisschen so an wie früher, als das Internet noch neu war und ich nur abends mal rein durfte, weil Internetsurfen dann billiger war.
Anonymität hat ihren Preis
Komfort ist also nicht unbedingt angesagt, aber das habe ich auch nicht erwartet. Das Darknet soll ja die dunkle Seite des Netzes sein. Waffen soll man hier kaufen können, Auftragskiller und natürlich Drogen. Aber es heisst, die Dunkelheit hätte auch ihre guten Seiten: Für Dissidenten zum Beispiel und für jeden, der im Zeitalter der Totalüberwachung wert legt auf seine Privatsphäre. Im Darknet geht es nicht um Bequemlichkeit, es geht um Anonymität – und die hat eben ihren Preis.
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Ausgangspunkt meiner Reise ist das sogenannte «Hidden Wiki», ein Verzeichnis für Seiten im Darknet, im Stil von Wikipedia. Viele der Links führen ins Nichts, manchmal öffnet sich dann aber doch eine Seite. Schnell lande ich auf einer Seite zum Anheuern von Auftragskillern, doch die ist ziemlich sicher ein Fake: Sofort werde ich aufgefordert, über ein dubioses Formular Geld zu überweisen. Ich wandere weiter und stosse auf «Silk Road», eine Seite, auf der man Drogen kaufen kann – kein Fake.
Bitcoins – die Schattenwährung?
Ich flaniere eine Zeit lang über den virtuellen Markt: LSD, Speed, Kokain, jede Menge Marihuana und Ritalin werden hier feilgeboten. Zahlreiche Händler preisen ihre Waren an, bezahlt wird mit der Hackerwährung Bitcoin. Die Drogen werden per Post bequem nach Hause geliefert.
Überhaupt Bitcoins: Wer sich aufmacht ins Darknet, sollte welche dabei haben. Die Hackerwährung ist quasi das offizielle Zahlungsmittel in diesem geheimnisumwitterten Teil des Internets. Mit Bitcoins kann man anonym zahlen. Das ist den Behörden natürlich ein Dorn im Auge. «Silk Road» wurde zwar schon mal vom FBI geschlossen, aber längst schon gibt es «Silk Road 2.0» – eine exakte Kopie der Originalseite.
Ein Netz, keine Shopping-Mall
Ich setze meine Reise fort, surfe vorbei an Seiten, auf denen man Waffen kaufen kann, vorbei an Foren, in denen es angeblich um Kinderpornografie geht. Schnell merke ich: Manchmal geht es ziemlich düster zu und her, hier auf der dunklen Seite des Netzes. Ich bekomme den Preis der Anonymität erneut zu spüren.
Doch es gibt noch eine andere Seite des Darknets, die helle Seite, wenn man so möchte. Diese Seite ist kreativ, anarchisch, ungehobelt und etwas skurril. Auf meiner Reise begegne ich allerlei Abenteurern. Menschen, denen das «Clearnet» – so nennen sie das uns allen bekannte «Word Wide Web» – zu langweilig ist und vor allem: zu reglementiert. Menschen, die sich nach einem Netz sehnen, das Nutzer verbindet, keine Konsumenten. Einem Netz, das eben ein Netz ist – und keine Shopping-Mall.
Als ich meine Reise beende kehre ich zurück auf die glattpolierte Oberfläche von Facebook. Katzenvideos, Urlaubsfotos, Partyeinladungen. Eine Freundin chattet mich an, sie will wissen, wie es denn so war, da im Darknet. Ich habe einiges zu erzählen.