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Schlafforschung Was macht der Schlaf mit Kleinkindern?

Eine neue Studie zeigt: Bis wir zweieinhalb Jahre alt sind, verhält sich unser Gehirn im Schlaf anders als danach. Aus welchem Grund?

Während wir schlafen, erledigt das Gehirn zwei unterschiedliche Aufgaben: Einerseits organisiert es sich um, indem Nervenzellen neu miteinander verknüpft, Bindungen verstärkt oder aufgelöst werden.

Andererseits wird das Gehirn im Schlaf gewartet und ausgemistet. Während wir schlafen, wird es also von beschädigten Zellen, Proteinen und Stoffwechselprodukten befreit.

Passiert das nicht, werden wir krank.

Überraschender Befund

Forschende der University of California Los Angeles haben nun in einer grossen Studie untersucht, wie diese beiden Aufgaben von Schlaf mit der kindlichen Entwicklung verknüpft sind.

Dabei sind sie auf einen überraschenden Befund gestossen: «Bis zum Alter von zweieinhalb Jahren kümmert sich das Gehirn vor allem um den Aufbau und die Organisation des Gehirns. Dann gibt es einen abrupten Wechsel», erklärt der Schlafforscher und Studienleiter Van Savage.

Von der Organisation zur Reparaturarbeit

Dieser Wechsel sorge dafür, dass der Schlaf ab diesem Zeitpunkt vor allem für Reparatur- und Wartungsarbeiten im Gehirn da sei, so der Schlafforscher.

In ihren Untersuchungen fiel den kalifornischen Forschenden auf, dass sich im Alter von zweieinhalb vor allem der sogenannte REM-Schlaf dramatisch verändert.

«Bei einem Neugeborenen macht der Anteil des Schlafs mehr als 50 Prozent aus. Mit zweieinhalb Jahren wird das plötzlich weniger. Es sind dann nur noch 20 bis 25 Prozent», so Savage. Im weiteren Verlauf des Lebens werden es noch weniger.

REM-Schlaf verändert sich

«Dass es diesen abrupten Wechsel im Alter von zweieinhalb Jahren gibt, hat uns sehr überrascht» sagt Van Savage.

Die Forschenden der UCLA gehen davon aus, dass sich das Gehirn vor allem im REM-Schlaf organisiert und vernetzt. Das passe gut zum grossen Anteil REM-Schlaf in den ersten Lebensjahren.

REM-Schlaf

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Im REM-Schlaf, auch Rapid-Eye-Movement-Schlaf genannt, träumen wir. Diese Schlafphase wird deshalb auch Traumschlafphase genannt. Das Nervensystem ist besonders aktiv und es erschlaffen gleichzeitig sämtliche Muskeln. Obwohl wir in dieser Phase häufig träumen, sind wir trotzdem leicht zu wecken.

Für ihre These werteten die Forscher über 60 Schlaf-Studien aus den vergangenen Jahrzehnten aus: Sie untersuchten etwa Daten zu den Anteilen von REM-Schlaf und Tiefschlaf. Oder sie versuchten zu klären, wie lange Menschen schlafen und ob sie das am Stück tun.

Ausserdem wurden physiologische Parameter wie Hirngrösse, Körpermasse und der Stoffwechsel im Gehirn miteinbezogen. Sogar Schlafdaten von Kaninchen und Schweinen flossen in die Studie ein.

Alexandre Datta, Facharzt für Neuro- und Entwicklungspädiatrie am Universitäts-Kinderspital beider Basel, findet die Studie interessant. Sie zeige elegant, wie sich die Funktionen des Schlafs über das Alter verlagern.

Doch der Forscher hat einen grossen Einwand: «Ich sehe das überhaupt nicht so, dass die Schlaffunktion bei Kindern unter zweieinhalb Jahren eine komplett andere ist. Die Verteilung des Schlafes ist einfach anders.»

Keine abrupte Veränderung

Von den Schlafmustern auf die Funktion des Schlafs zu schliessen, sei schwierig, sagt der Mediziner. Er bezweifele, dass man nur aufgrund einer mathematischen Modellierung sicher sagen kann, was im REM-Schlaf oder Tiefschlaf im Hirn passiert.

Zwar finde eine Veränderung statt. Doch die passiere nicht vom einen Tag auf den anderen. «Trotzdem zeigt die Studie sehr schön, dass sich vor allem bei Kindern sehr viel verändert beim Schlaf und auch viele Prozesse im Gange sind.»

Sendung: SRF2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 19.09.2020, 12:38 Uhr ; 

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