Die Umweltorganisation Greenpeace ist auf der Suche nach «nicht öffentlich zugänglichen Informationen» zum Zustand des AKW Beznau im Kanton Aargau. Greenpeace schreibt im Inserat, es würden «Insider mit Informationen aus der Blackbox Beznau» gesucht.
Das Inserat erschien am Donnerstag in der «Aargauer Zeitung» und der «Weltwoche». Greenpeace begründet das Vorgehen damit, dass die Bevölkerung ein Recht habe zu wissen, wie grosse das Risiko bei Beznau 1 sei.
Axpo plant keine rechtlichen Schritte
Greenpeace ruft «Beznau-Insider» auf, vertrauliche Dokumente zum Zustand des Reaktors anonym zu übermitteln. Dazu wurde eine eigene Website eingerichtet. Der Energiekonzern Axpo reagierte gelassen. Sprecherin Monika Müller sagt auf Anfrage von Radio SRF, man nehme den Aufruf zur Kenntnis, «aber es beunruhigt uns nicht weiter.»
Man sehe keine rechtlichen Schritte dagegen vor. «Die Mitarbeitenden im Kernkraftwerk Beznau wissen jederzeit, was sie zu tun haben», heisst es weiter. Axpo pflege eine offene und transparente Kommunikation. Auch lasse sich viel Informationsmaterial auf der Website des Ensi finden.
Rechtlich heikel - für Greenpeace und «Whistleblower»
Auf Anfrage von Radio SRF erklären mehrere Rechtsexperten, die Aktion von Greenpeace sei heikel. Jurist und Journalist Dominique Strebel hält es für möglich, dass gegen die Umweltorganisation ein Verfahren eröffnet werden könnte. «Ein Staatsanwalt könnte sagen, dass Greenpeace mit diesem Aufruf zur Verletzung von Betriebsgeheimnissen anstiftet.»
Diese Vermutung stellt auch Rechtsanwalt Martin Steiger beim Kurznachrichtendienst Twitter in den Raum:
Allerdings müsste nachgewiesen werden, dass die Umweltorganisation tatsächlich einen Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter im Werk Beznau habe.
Viel grösser wäre das Risiko für allfällige «Whistleblower» im Axpo-Konzern. Darin sind sich Dominique Strebel und Martin Hilti von Transparency International Schweiz einig. «Das Risiko ist sehr gross», sagt Hilti gegenüber SRF. Wer Geheimnisse aus seiner Firma weitergibt, der riskiert eine Kündigung und ein Strafverfahren.
«Selbst wenn das öffentliche Interesse an diesen Dokumenten den Schaden der Firma überwiegt und ein Gericht dies bestätigt, so bleibt die Kündigung rechtskräftig.» Die Firma müsste dann lediglich einige Monatslöhne nachzahlen. Transparency International kritisiert den mangelnden Schutz von Whistleblowern in der Schweiz seit längerer Zeit. Zwar überarbeitet der Bundesrat aktuell die entsprechenden Abschnitte im Obligationenrecht, eine klare Verbesserung erwartet Hilti aber nicht.
Beschwerde von Greenpeace hängig
Greenpeace kämpft bereits vor Gericht für weiterreichende Informationen. Mit einer hängigen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht will die Organisation erreichen, dass die Atomaufsichtsbehörde Ensi einen Sicherheitsbericht des Energiekonzerns zum Zustand des AKW Beznau 1 herausrückt.
Laut Greenpeace wurden 950 Seiten des Berichts geschwärzt. Die Beschwerde richtet sich gegen eine Verfügung des Ensi. Greenpeace hatte gemäss eigenen Angaben im Februar 2015 beim Ensi die Herausgabe des Berichts verlangt. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) habe die Forderung von Greenpeace im Dezember gestützt.
Das Ensi müsse laut EDÖB den Bericht mit Ausnahme von Fabrikationsgeheimnissen entschwärzen. Ohne Begründung sperrte sich die Axpo gemäss Greenpeace im Januar gegen die Herausgabe des Berichts. Einen Monat später habe das Ensi mit einer Verfügung die Veröffentlichung des Berichts verhindert. Die Beschwerde von Greenpeace richtetet sich gegen diese Verfügung.
Axpo will Geschäftsgeheimnisse schützen
Der Energiekonzern Axpo hält dazu fest, man kommuniziere alle Informationen zum AKW Beznau lückenlos gegenüber der Aufsichtsbehörde Ensi. Es sei wichtig, dass die Aufsichtsbehörde jedes Detail sehe, auch Geschäftsgeheimnisse wie die Messverfahren der Lieferanten.
Es verstehe sich von selbst, dass Axpo in einem Wettbewerbsumfeld agiere, wo jedes involvierte Drittunternehmen ein Recht auf Schutz seiner Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse habe. Mit anderen Worten: Man könne keine Geheimnisse von Lieferanten preisgeben. Solche Informationen gehörten deshalb nicht an die Öffentlichkeit. Dies sei beim vorliegenden Fall auch so.