Der Fall ist eigentlich klar: Wie viele andere Arbeitnehmer, haben auch Lehrerinnen und Lehrer das Recht, für ihre Anliegen auf die Strasse zu gehen. Das bestätigt auch der Kanton Aargau.
In einem Brief an alle Schulen hält Volksschulleiter Christian Aeberli fest: «Die Lehrpersonen und Schulleitungen haben das Recht, an einer Kundgebung teilzunehmen und ihre Arbeit für die Teilnahme [...] niederzulegen.» Die Kundgebung gelte aber nicht als Arbeitszeit, hält Aeberli fest. Die Lehrer müssten diese Zeit kompensieren.
Dessen ungeachtet versucht nun die Schulpflege der grossen Gesamtschule Aarau ihren Lehrern die Teilnahme an der Protestaktion zu erschweren.
Richtiger Unterricht nicht nur Betreuung
In einer schriftlichen Stellungnahme hält die Aarauer Schulpflege fest, dass es während der Demonstration «keinen flächendeckenden Unterrichtsausfall» geben dürfe, und dass «die Organisation allfälliger Betreuungsdienste [...] entfällt.» Aarauer Lehrer dürften nur an der Kundgebung teilnehmen, wenn ihre Schüler von anderen Lehrpersonen der Schule Aarau unterrichtet würden, schreibt die Schulpflege. Eine anderweitige Betreuung sei gar nicht erlaubt, heisst es aus Lehrerkreisen.
Diese Weisung und Handhabung stösst auf Kritik: «Damit überschreitet die Schulpflege Aarau ihre Kompetenz», sagt Manfred Dubach, Geschäftsführer des aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (alv). «Jede Lehrperson, die das will, hat das Recht an der Kundgebung teilzunehmen.» Das werde in Aarau nun faktisch unterbunden.
Zwar sind die Schulen laut Kanton dazu verpflichtet, die Kinder während der Kundgebung zu betreuen. Dies müsse aber nicht zwingend schulischer Unterricht sein, heisst es auf Nachfrage beim Kanton. Ein «adäquates Betreuungsangebot» reiche für den Nachmittag der Kundgebung durchaus, präzisiert Christian Aeberli. Die Kinder müssten im Sinne der Eltern beaufsichtigt sein, falls die Lehrperson abwesend ist.
(K)ein Widerspruch?
Die Aarauer Schulpflege nahm auf Nachfrage nicht weiter Stellung zu den Vorwürfen. Man verlange eine Stellvertretung, wenn ein Lehrer an die Kundgebung wolle, damit sei alles gesagt, und es sei auch alles richtig so. Das sei auch kein Widerspruch zu der vom Kanton vorgeschlagenen Vorgehensweise, heisst es bei der Schulpflege.
Einen Widerspruch gibt es trotzdem: Offizielle Unterstützung erhält die Protestkundgebung am 8. November nämlich vom Verband aller Aargauer Schulpflegepräsidentinnen und -präsidenten (VASP), der sich auch gegen Bildungsabbau wehrt. Dass eine einzelne Schulpflege die Teilnahmemöglichkeiten der Lehrpersonen einschränkt, sei falsch, heisst es auf Anfrage.