Stellvertretungen für Parlamentsmitglieder
Kanton Aargau: Verfassungsänderung (Vertretungsregelung für Parlamentsmitglieder)
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JA
121'361 Stimmen
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NEIN
66'969 Stimmen
- Die Aargauer Stimmbevölkerung sagt an der Urne sehr deutlich Ja zu einer Stellvertretungsregelung für Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentarier.
- Künftig kann jemand bei längerer Abwesenheit durch Mutterschaft, Unfall oder Krankheit durch eine Stellvertretung ersetzt werden.
- Mit der Stellvertretungslösung soll im Aargau vor allem die Vereinbarkeit von politischer Tätigkeit und Familie für Frauen verbessert werden.
- Neben dem Aargau kennen die Kantone Wallis, Graubünden, Genf, Neuenburg und Jura schon länger entsprechende Stellvertretungslösungen. In weiteren Städten und Kantonen wird über das Thema diskutiert.
Das Resultat fällt deutlich aus. Mit einer Mehrheit von 64.4 Prozent der Stimmen bewilligt die Aargauer Stimmbevölkerung eine Änderung der Kantonsverfassung, alle Aargauer Bezirke stimmen zu. Die Verfassungsänderung ermöglicht es, dass sich Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentarier künftig vertreten lassen können, wenn sie länger abwesend sind.
Die Abstimmungsresultate zeigen einmal mehr einen kleinen Graben zwischen Stadt und Land. Am deutlichsten fällt die Zustimmung im Bezirk Baden aus mit fast 70 Prozent Ja-Anteil, gefolgt von den ebenfalls her urban ausgerichteten Bezirken Aarau und Rheinfelden. Am knappsten ist das Resultat im eher ländlichen und konservativen Bezirk Kulm mit nur gerade gut 53 Prozent Ja.
Unerwartet deutliches Resultat
Die von den Grünen eingebrachte Änderung erhielt im Vorfeld der Abstimmung schon breite Zustimmung. Sowohl die Aargauer Regierung als auch das Kantonsparlament empfahlen ein Ja zur Vorlage. Die Änderung sei zeitgemäss und entspreche einem Bedürfnis der Bevölkerung, befand eine Mehrheit im Grossen Rat. Die neue Regelung stelle sicher, dass der Wählerwille vollständig abgebildet werden kann, weil das Parlament so theoretisch immer in Vollbesetzung tagen kann.
Das Aargauer Stimmvolk hat die Zeichen der Zeit erkannt.
Dass die Änderung deutlicher als erwartet angenommen wird, freut Kim Schweri, ehemalige Grossrätin der Aargauer Grünen. Es zeige, dass die Aargauer Bevölkerung die Zeichen der Zeit erkannt habe: «Es ist ein wichtiges Zeichen für junge Frauen, dass sie sich in der Politik engagieren können, ohne sich zwischen Kindern und Politik entscheiden zu müssen.» Erfreulich sei zudem, dass der Aargau mit gutem Beispiel vorangehe und nun diversen Nachbarkantonen voraus sei in dieser Frage.
Gegen die Stellvertretungslösung war im Grossen Rat einzig die SVP. Aus Sicht der grössten Aargauer Partei führt die neue Lösung zu einem unverhältnismässig hohen administrativen Aufwand. Es gebe zu wenige Anwendungsfälle, als dass sich eine solche Revision von Verfassung und Gesetzen lohnen würde.
Es wurde kaum informiert.
«Es war ein Abstimmungskampf David gegen Goliath. Zudem stand die Vorlage im Schatten der vier nationalen Abstimmungen, es wurde kaum darüber informiert und diskutiert», analysiert Grossrat Bruno Rudolf das deutliche Resultat und damit die Niederlage seiner Partei.
Strikte Regeln für die Stellvertretung
Das Amt im Kantonsparlament einfach mal kurz abgeben, weil man längere Zeit in die Ferien will oder mal keine Lust hat, liegt mit der neuen Regel aber nicht drin. Der Stellvertretung sind klare Grenzen gesetzt. So sind die Gründe für die Einsetzung einer Stellvertretung im Gesetz abschliessend geregelt.
Eine Vertretung darf nur einsetzen, wer wegen Mutterschaft, Krankheit oder Unfall mindestens drei Monate nicht selber an den Sitzungen des Kantonsparlamentes teilnehmen kann. Die Vertretung darf zudem höchstens ein Jahr dauern.
Ebenso klar geregelt ist, wer die Vertretung übernehmen darf. Es kommt nämlich zwingend jene Person zum Zug, die auf der Wahlliste der entsprechenden Partei von den Nichtgewählten am meisten Stimmen erhalten hat. Falls diese Person nicht will oder kann, ist die nächste Person auf der Liste an der Reihe. Dass jemand aus dem Kantonsparlament das Amt einfach mal an die Freundin oder den Nachbar abgibt, ist also nicht möglich.
Zudem ist die Stellvertretung freiwillig. Es steht jeder Parlamentarierin und jedem Parlamentarier offen, sich bei längerer Abwesenheit vertreten zu lassen oder nicht. Trotz dieser Freiwilligkeit dürfte die Vertretung künftig wohl zum Standard werden, da kaum eine Partei längere Zeit auf die Stimme eines fehlenden Mitgliedes verzichten wird, wenn es auch anders geht.