Tiefere Steuern für Privatpersonen befürworten im Kanton Solothurn alle politischen Parteien und Verbände – eigentlich. Die einen verlangen, dass die Steuerbelastung auf den Schweizer Durchschnitt gesenkt wird. Die anderen möchten die Steuern vor allem für Familien und tiefe Einkommen senken. Eine weitere Gruppe ist im Grundsatz auch für tiefere Steuern, bezweifelt aber, dass die Gemeinden diese ohne Leistungsabbau stemmen können.
«Ein Versprechen der Regierung»
Angestossen hat die Steuerdiskussion die Initiative des überparteilichen Komitees «Jetz si mir draa». Nach den Unternehmen seien nun die «kleinen Leute» an der Reihe, so die Forderung. Schnell kamen die nötigen 3000 Unterschriften zusammen. Mitinitiant und SVP-Kantonsrat Remy Wyssmann: «Diese Initiative ist nicht auf unserem Mist gewachsen. Es war ein Versprechen der Solothurner Regierung. In ihrer Standortstrategie 2030 hat sie versprochen, dass wir mit den Steuern auf den Schweizer Durchschnitt kommen.»
Die Initiative will die Steuerbelastung bis im Jahr 2023 auf 120 Prozent des Durchschnitts senken, bis 2030 auf 100 Prozent. Dem Kanton würden jährlich etwa 124 Millionen Franken fehlen, den Gemeinden 146 Millionen. Die insgesamt 260 Millionen könnten Kanton und Gemeinden verkraften, so Wyssmann. Die Einsparung wäre nur 5 Prozent des Gesamthaushalts.
Bei seiner Forderung bezieht sich das Initiativkomitee auf eine Analyse von BAK Economics. 2020 belegte der Kanton Solothurn beim Steuervergleich unter den Kantonen den zweitletzten Platz. Angeschaut wurde dazu die Gesamtheit an Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuern.
«Gezielte Entlastung»
Die SVP unterstützt als einzige Partei offiziell die Initiative. Alle anderen empfehlen den Gegenvorschlag von Regierung und Kantonsparlament. Dieser rechnet mit Ausfällen von je rund 30 Millionen Franken für Kanton und Gemeinden.
Der Gegenvorschlag besteht aus drei Teilen. Er will tiefere Steuern für niedrige und mittlere Einkommen. Der Kinderabzug soll von 6000 auf 9000 Franken angehoben werden. Ebenfalls sollen für die Drittbetreuung eines Kindes (z.B. Kindertagesstätte) bis zu 25'000 Franken von den Steuern abgezogen werden können, anstatt wie bisher 12'000. Im Gegenzug würde der heute unbeschränkte Pendlerabzug (Kosten für Autofahrt oder öffentlichen Verkehr zur Arbeit) bei 7000 Franken gedeckelt.
Eine Annahme der Initiative wäre katastrophal, meint SP-Kantonsrat Simon Bürki. Der Gegenvorschlag hingegen entlaste gezielt und nur dort, wo es nötig sei. «Wenn wir entlasten wollen, dann ist dies primär bei den kleinen und mittleren Einkommen gegeben. Dort sind wir am weitesten vom Schweizer Durchschnitt entfernt.»
«Es würde den Leuten weh tun»
Edgar Kupper vertritt schliesslich die Meinung, dass auch der Gegenvorschlag zu weit gehe. Der Mitte-Kantonsrat und Gemeindepräsident von Laupersdorf sagt, dass auch die Ausfälle von 30 Millionen Franken nicht verkraftbar seien – von 146 Millionen bei Annahme der Initiative ganz zu schweigen. Kupper tritt daher wie auch der Verband der Solothurner Einwohnergemeinden für ein doppeltes Nein ein.
«Mit dem Gegenvorschlag hätten wir Mindereinnahmen von 234'000 Franken oder 7 Steuerprozenten. Wir müssten die Steuern erhöhen und auf jene Dinge verzichten, die noch ein bisschen Kultur in die Gemeinde bringen. Sei dies eine Seniorenfahrt, Beiträge an Skilager oder die spezielle Förderung in der Schule.» Dies wären Einsparungen, welche den Leuten weh tun würden, so der Gemeindepräsident von Laupersdorf.