Auf dem Standesamt kann Schweigen Hochzeiten platzen lassen: Sagt er Ja und sie gar nichts, kommt die Trauung nicht zustande. Beim Sexualstrafrecht gibt es die Forderung nach «nur Ja heisst Ja».
Bei der Organspende hingegen gilt künftig ein Schweigen grundsätzlich als Ja: Wer seine Organe nicht spenden möchte, muss dies künftig aktiv festhalten. Wenn kein Wille bekannt ist, werden Angehörige einbezogen. So sieht es die erweiterte Widerspruchslösung vor. Die Schweiz vollzieht damit einen Paradigmenwechsel bei der Organspende.
Überraschend kommt das nicht: Organspenden an sich sind Umfragen zufolge mehr oder weniger breit akzeptiert. Daran konnte das Unterstützungskomitee des am Sonntag angenommenen Gegenvorschlags zur Organspende-Initiative andocken. In einem Land mit hohem medizinischem Versorgungslevel und entsprechenden Erwartungen an die Medizin zogen der Hinweis auf Spendermangel und das Argument, ein Ja rette Leben.
Aber auch die Argumente der Gegenseite stiessen auf Resonanz: Themen wie Selbstbestimmung oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit wurden erst gerade während der Pandemie intensiv diskutiert, etwa im Zusammenhang mit der Impfung. Dass der Abstimmungskampf dann aber vergleichsweise flau blieb, half der Pro-Seite wohl mehr als dem gegnerischen Komitee.
Bundesrat muss Bevölkerung informieren
Wenn nun neu Schweigen Zustimmung bedeutet, muss man dies aber auch wissen: Damit verhindert wird, dass Menschen gegen deren Willen Organe entnommen werden. Entsprechend ist der Bund jetzt gefordert.
Erreichen müssen die Behörden schlicht alle über 16 – auch Fremdsprachige, Menschen mit Behinderungen, mit sprachlichen Einschränkungen, Grenzgängerinnen, Touristen.
Erfahrungen damit konnten die Behörden in der Coronazeit sammeln. Der Verweis darauf ist allerdings zweischneidig: Während Befürworter mit der Pandemie als Probelauf argumentieren, kontern Gegnerinnen, gerade dieses Beispiel habe gezeigt, dass Behördeninformation nie alle erreiche.
Kampagne soll intensiviert werden
Zur Information über Organspende sind Bund und Kantone bereits heute per Gesetz verpflichtet. Mit seiner Organspende-Kampagne informiert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) seit Jahren.
Nun, nach dem Ja zum Transplantationsgesetz, möchte es seine Anstrengungen in diesem Bereich verstärken: Stehen aktuell rund 1.5 Millionen Franken jährlich dafür zur Verfügung, so sei vorgesehen, «diesen Betrag in den ersten drei Jahren nach der Einführung einer Widerspruchslösung um 1 Million auf rund 2.5 Millionen Franken zu erhöhen», schreibt das BAG auf Anfrage.
In einer Ausschreibung wolle das BAG dafür eine Kommunikationsagentur suchen. Reicht das? Jedenfalls gibt es aktuell noch Luft nach oben: Nach einer Evaluation der bisherigen BAG-Kampagne zur Organspende zeige sich, «dass die Bevölkerung noch nicht genügend informiert ist», heisst es in einer externen Studie im Auftrag des BAG Ende 2021.
Damit die Widerspruchslösung verfassungskonform sei, so stellte der Bundesrat selber fest, sei eine «intensive Information der Bevölkerung unabdingbar». Ob die Umsetzung gelingt, hängt also wesentlich davon ab, ob die Information tatsächlich alle erreicht.