Selten wurde ein Abstimmungskampf in der Schweiz so emotional und heftig geführt. Die Gegnerinnen und Gegner des Covid-Gesetzes ziehen alle Register: eine enorme Präsenz auf der Strasse und in den Medien. Die Befürworter dagegen, der Bundesrat und alle Parteien ausser der SVP, sind viel weniger sichtbar.
Trotzdem zeigt die letzte Umfrage von gfs.bern elf Tage vor der Abstimmung: Die laute Gegnerschaft konnte kaum mehr etwas bewirken. Die Zustimmung zum Covid-Gesetz liegt unverändert bei 61 Prozent. Wenn die Meinungen so früh gemacht sind wie beim Covid-Gesetz, dann kann man auch mit viel Geld und viel Lärm kaum mehr gross etwas beeinflussen.
Strategie der Befürworter geht wohl auf
Den befürwortenden Parteien wurde nach den Herbstferien vorgeworfen, sie würden zu spät in diesen wichtigen Abstimmungskampf steigen. Doch nun zeigt sich: Ihre Strategie ist wohl aufgegangen. Das wichtigste Aushängeschild der Covid-Gesetz-Befürworter ist Gesundheitsminister Alain Berset, und der ist in dieser Krise nach wie vor dauerpräsent. Viel mehr ist gar nicht nötig.
Möglicherweise haben die Gegnerinnen und Gegner den Bogen auch überspannt. Ihre Kampagne wirkt zunehmend aggressiver, und das kann auch abschrecken.
Geimpfte sind in der Mehrheit
Entscheidender als die Kampagnen und die Sympathien zu einer Partei ist in diesem Abstimmungskampf aber der Impfstatus: Laut Umfrage sind rund 70 Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung (über 18 Jahre alt, Schweizer Bürgerin oder Bürger) geimpft. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Geimpften will gegen das Covid-Gesetz stimmen. Wer geimpft ist, ist grossmehrheitlich also auch für die Zertifikatspflicht.
Ein Ja zum Covid-Gesetz scheint sehr wahrscheinlich in elf Tagen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr hätte damit die Stimmbevölkerung den Corona-Kurs des Bundesrates an der Urne unterstützt.
Wenig Rückenwind für den Bundesrat
Trotzdem wird sich der Bundesrat nicht als grosser Sieger feiern können. Denn fast 40 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind laut Umfrage gegen die aktuelle Schweizer Pandemie-Politik.
Möglich scheint auch, dass einzelne Kantone in der Ostschweiz Nein sagen könnten zum Covid-Gesetz und damit zum Zertifikat. Das dürfte für die Landesregierung spätestens dann zum Problem werden, wenn sich die Lage weiter verschlechtert und strengere Massnahmen aus epidemiologischer Sicht angezeigt wären.