Ein Losverfahren für die Wahl ans Bundesgericht hat bei Volk und Ständen keinen Anklang gefunden. Kein Kanton sagte Ja zur Justiz-Initiative – der Nein-Stimmen-Anteil beträgt 68.1 Prozent.
Justiz-Initiative
Eidg. Vorlage: Initiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren»
-
JA
1'095'174 Stimmen
-
NEIN
2'334'980 Stimmen
Standesstimmen
- JA
- NEIN
Andrea Caroni, Ständerat (FDP/AR) und Präsident der parlamentarischen Gerichtskommission, zeigte sich gegenüber SRF erleichtert über das Nein. Er freute sich über das Vertrauen des Volks in die Gerichte und das Parlament, welches die Bundesrichter und Bundesrichterinnen wählt. Auch Heidi Zgraggen, Ständerätin (Mitte/UR), verteidigte gegenüber SRF das System und zeigte sich erleichtert über das Resultat. Das Verfahren sei demokratisch legitimiert – die Richterinnen und Richter würden das Wahlvolk abbilden.
Auch Matthias Aebischer, Berner SP-Nationalrat und Vizepräsident der parlamentarischen Gerichtskommission, äusserte sich hocherfreut über das deutliche Nein. Es sei eine sehr komplexe Initiative gewesen. Das Nein zeige, dass sich die Bevölkerung eingehend damit befasst habe.
Die Initiative habe zwar gewisse Defizite in der Justiz angesprochen, löse als Gesamtpaket die Probleme jedoch nicht, sagte Aebischer gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Die Initiative war viel zu extrem», so Aebischer. Die Reformen seien zudem schon vor der Initiative aufgegleist gewesen.
Parteibuch wichtiger als Gesetzesbuch?
Laut dem Rechtsanwalt und Befürworter der Justiz-Initiative, Philip Stolkin, ist es schwer, eine Initiative zu gewinnen, wenn die gesamte Parteienlandschaft dagegen ist. Das gab Stolkin als Grund für das Scheitern der Initiative an.
«Faktisch gesehen muss man heute in einer Partei sein, um Richterin oder Richter zu werden», sagte er dem Schweizer Fernsehen SRF. «Diese Überschneidung finde ich gefährlich», sagte er weiter. Die Gewaltentrennung sei nicht gewährleistet. «Das Parteibuch hat mehr Gewicht als das Gesetzesbuch», sagte Stolkin. Genau deshalb hätte es klare Regeln gebraucht.
Mandatssteuer im Fokus
Peter Diggelmann, ehemaliger Oberrichter des Kantons Zürich und Befürworter der Initiative, bemängelte gegenüber SRF, dass bei der Diskussion ums Losverfahren die eigentlichen Probleme des jetzigen Verfahrens zu kurz gekommen seien. Besonders die umstrittene Mandatssteuer solle nun zur Diskussion gestellt werden.
Ein Richter oder eine Richterin müsse einer Partei angehören und dieser faktisch jährlich eine Mandatssteuer bezahlen, damit er oder sie das Amt bekomme. Damit werde die Judikative zum verlängerten Arm der Legislative.
Verfahren wird unter die Lupe genommen
Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BS) war Gegnerin der Vorlage, doch sie wies gegenüber SRF darauf hin, dass die Diskussion über das Verfahren am Laufen sei. Das Parlament habe jedoch auf einen Gegenvorschlag verzichtet, an dem SP und Grüne gearbeitet haben. Man nehme die Bedenken, insbesondere zur Mandatssteuer, jedoch ernst. Auch das gesamte Wiederwahlverfahren, zum Beispiel die Amtsdauer, werde man unter die Lupe nehmen.
Das Wahlverfahren wird in den kommenden Jahren sowieso einer sanften Reform unterzogen. Nach dem Willen der Rechtskommission des Ständerats soll die Gerichtskommission zur Begleitung ihrer Auswahlverfahren künftig einen Fachbeirat einsetzen und beiziehen können. Mit der entsprechenden parlamentarischen Initiative befasst sich als Nächstes die Nationalratskommission.