Die Umsetzung der Pflege-Initiative dürfte nach Einschätzung von SVP-Vizepräsidentin Céline Amaudruz längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Gegensatz dazu wäre der Gegenvorschlag sofort anwendbar gewesen, kritisiert sie.
Dieser Kritik stimmt auch FDP-Politiker Matthias Jauslin zu. Man müsse den Gesetzgebungsprozess nun nochmals neu beginnen, gibt er zu bedenken.
Wiedersprechen tut ihnen die SP-Politikerin Flavia Wasserfallen. «Das ist eine Behauptung, welche ich infrage stellen will», sagt sie. Die SP werde sich jetzt stark dafür einsetzen, dass die Initiative umgesetzt werden könne.
Glücklich über den Ausgang der Initiative zeigt sich die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Auf Twitter spricht sie von einem «historischen Moment».
Auch die Grünen zeigen sich zufrieden mit dem Resultat der heutigen Abstimmung. Auf Twitter schreiben sie: «Klatschen reicht nicht.»
Am runden Tisch im SRF-Studio räumt Regine Sauter (FDP/ZH) ein, dass Handlungsbedarf in der Pflege bestehe. Mit dem Gegenvorschlag habe man dem gerecht werden wollen. Dieser sei jedoch vom Tisch und man habe wertvolle Zeit verloren.
Auch Albert Rösti (SVP/BE) ist enttäuscht, dass die Initianten die Initiative nach dem «komfortablen» Gegenvorschlag nicht zurückgezogen haben. Es habe die Initiative gebraucht, gibt auch er zu. Es stehe aber in den Sternen, ob man jetzt mehr erreiche als mit dem Gegenvorschlag, so Rösti.
Gesundheitsminister Alain Berset wertet das deutliche Ja zur Pflege-Initiative als Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Pflegefachleuten. Der Gegenvorschlag zur Initiative, der nun nicht in Kraft trete, enthalte «interessante Elemente» zur Umsetzung der Initiative.
Der Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), der die Initiative lanciert hatte, sieht im Abstimmungsresultat zur Pflege-Initiative ein «unglaubliches Zeichen der Wertschätzung».
Die Schweizer Spitäler erwarten nach der Abstimmung über die Pflege-Initiative vom Bund klare Antworten, was die Finanzierung der künftigen Massnahmen angeht. Wichtig sei auch, dass der Verhandlungsprozess über Löhne und Arbeitsbedingungen nicht «von oben» festgelegt werde, sagte Kristian Schneider, Mitglied des Vorstands des Spitalverbandes H+ und Direktor des Spitalzentrums Biel.
In den Worten von FDP-Nationalrätin Isabelle Moret hat das Volk mit dem Ja zur Pflege-Initiative aus dem Herzen gesprochen. Politik und Krankenkassen müssten nun die nötigen Mittel für die Pflegenden zur Verfügung stellen, sagte die Präsidentin des Spitalverbandes H+.
Krankenkassen-Verbände: Kosten im Blick
Die Krankenkassenverbände Santésuisse und Curafutura wollen bei der Umsetzung der Pflege-Initiative insbesondere die Auswirkungen auf die Entwicklung der Krankenkassenprämien berücksichtigt sehen. Die Stimmbevölkerung habe mit der Annahme der Initiative ein Zeichen zugunsten des Pflegepersonals gesetzt, das in der Pandemie stark gefordert sei, schrieb Santésuisse in einer Stellungnahme.
Was die Kosten angeht, nimmt Santésuisse die Initiatinnen und Initianten in die Pflicht: Diese hätten im Abstimmungskampf ein Kostenwachstum in Abrede gestellt – und man werde sie daran erinnern. Curafutura teilte mit, der Verband werde sich konstruktiv in die bevorstehenden Diskussionen zur Umsetzung des Volksbegehrens einbringen – auch wenn er die Verankerung eines Berufes in der Verfassung als nicht sinnvoll erachte.