Mit 63.9 Prozent hat die Stimmbevölkerung einem neuen Verfassungsartikel zugestimmt. Kanton und Gemeinden sollen sich demnach aktiv für eine Begrenzung der Klimaveränderung einsetzen. Das deutliche Ja ist keine Überraschung: Die Mehrheit der Parteien stand dahinter. Der Kampf von SVP und EDU für ein Nein war kaum sichtbar.
Hinzu kommt: Gegen einen besseren Klimaschutz, gegen das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, kann eigentlich niemand etwas einwenden. Das Ziel ist abgestimmt mit dem Bund, dem Pariser Klimaabkommen und der Gletscherinitiative.
Die Bewährung steht noch aus
Das Resultat aus dem Kanton Bern ist ein Zeichen für einen besseren Klimaschutz. Aber nicht mehr. Es bleibt so lange Politik für die Galerie, bis die entsprechenden Gesetze und Verordnungen geändert sind.
Bereits Anfang Dezember wird das Parlament über ein neues Energiegesetz entscheiden. Ein erster Anlauf scheiterte 2019 an der Urne. Die energetische Sanierung von Gebäuden, die Förderung von Solaranlagen und der Ersatz von Ölheizungen wird viel kosten – während die Änderung der Kantonsverfassung noch gratis zu haben war. Die konkreten Massnahmen im neuen Energiegesetz werden zeigen, wie viel der Klimaschutz den Bernerinnen und Bernern wirklich wert ist.
Auch eine weitere Nagelprobe ist bereits terminiert. Anfang 2022 stimmt der Kanton Bern darüber ab, ob die Motorfahrzeugsteuern angepasst werden sollen. Grössere, leistungsstarke Fahrzeuge mit einem hohen Spritverbrauch sollen stärker besteuert werden als kleinere und sparsame Fahrzeuge.
Konkrete Massnahmen für den Klimaschutz hatten bisher im Kanton Bern einen schweren Stand. Höhere Motorfahrzeugsteuern wurden in der Vergangenheit abgelehnt, das neue Energiegesetz erlitt im ersten Anlauf Schiffbruch und auch ein neues eidgenössisches Co2-Gesetz wurde Mitte Juni auf kantonaler Ebene abgelehnt.
Der Kanton Bern muss also in den nächsten Monaten und Jahren erst noch beweisen, wie wichtig ihm der Klimaschutz tatsächlich ist. Die heutige Verfassungsänderung hat lediglich symbolischen Charakter.