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Klares Ja zur «Ehe für alle» Die letzte Hürde der Ungleichbehandlung ist beseitigt

Es ist ein historischer Tag für Schwule und Lesben in der Schweiz. Mit diesem deutlichen Ja zur «Ehe für alle» ist die letzte Hürde der Ungleichbehandlung zwischen Homosexuellen und Heterosexuellen beseitigt worden. Nun können schwule und lesbische Paare nicht nur heiraten, sie werden auch bei der Einbürgerung, bei der gemeinsamen Adoption und bei der Witwenrente gleich behandelt wie heterosexuelle Paare. Ein jahrzehntelanger Kampf nimmt damit ein Ende.

Noch deutlicheres Ja als 2005

1995 wurde die Petition «Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare» eingereicht. Nun – 26 Jahre später – ist mit der Annahme der «Ehe für alle» die Forderung von damals erfüllt, was wieder einmal beweist, dass die politischen Mühlen in der Schweiz langsam mahlen.

In vielen europäischen Ländern ist die «Homo-Ehe» bereits seit Jahren Tatsache. In der Schweiz brauchten Schwule und Lesben mehr Ausdauer. Als Belohnung sind ihre Anliegen aber immer vom Volk abgesegnet worden – und dies jeweils mit komfortablen Mehrheiten. Das war schon 2005 so, bei der Abstimmung über die eingetragene Partnerschaft.

Bei der «Ehe für alle» sagt das Volk nun noch deutlicher Ja, auch ländlich-konservative Kantone wie Nidwalden, Appenzell Innerrhoden oder das Wallis. Ein Stadt-Land-Graben ist nicht auszumachen. Die Gay-Community hat allen Grund stolz zu sein am heutigen Abstimmungssonntag: auf sich, aber auch aufs Schweizer Stimmvolk. Denn ursprünglich wollten Bundesrat und ein Grossteil des Parlamentes die Kinderfrage ausklammern – also Homo-Ehe «Ja», Kinderadoption oder Samenspende «Nein». Die Bevölkerung sei noch nicht so weit, war jeweils die Argumentation.

Keine «Ehe light»

Die Homosexuellen-Dachverbände wollten aber von einer «Ehe light» nichts wissen und gingen zusammen mit den progressiven politischen Kräften aufs Ganze. Der Kampf hat sich gelohnt, das Volk ist den Argumenten der Befürworter gefolgt. Die Kampagne der Gegner verfing nicht. Sie setzten erfolglos auf einen emotionalen Abstimmungskampf mit dem Kindeswohl im Zentrum: Mit weinenden Kindern und sogar mit einem Zombie auf Plakaten wollten sie aufzeigen, dass diese Vorlage gegen die Rechte und Interessen der Kinder sei.

Mit dem heutigen Volksentscheid sind Schwule und Lesben Heterosexuellen weitgehend gleichgestellt. Aber Gleichberechtigung garantiert noch nicht Gleichbehandlung. Übergriffe auf Schwule und Lesben auf offener Strasse gehören nach wie vor zum Alltag und Studien zeigen, dass bei Jugendlichen die Homophobie wieder zunimmt.

Die Arbeit ist also noch nicht getan. Es braucht Aufklärung und Sensibilisierung. Und Toleranz kann nicht rechtlich abgesichert werden, sondern sie muss gelebt werden. Dabei sind wir alle gefordert.        

Iwan Santoro

SRF-Inlandredaktor

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Santoro arbeitet seit 2013 bei Radio SRF und ist seit 2016 in der Inland-Redaktion tätig.

SRF 4 News, 26.09.2021, 14:35 Uhr

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