- Am Montag hat Bundesrat Alain Berset vor den Medien dargelegt, warum es die Rentenreform brauche und was sie beinhaltet.
- Er muss dabei gegen seine eigene Partei, die SP, kämpfen, die mit Gewerkschaften und Frauenverbänden das Referendum ergriffen hat.
- Die Erhöhung des Frauenrentenalters ist wohl die meistdiskutierte Massnahme der Reform, über die im September abgestimmt wird.
Bundesrat Alain Berset sagte es klipp und klar: «Meine Damen und Herren, diese Reform der AHV ist nötig, das wissen wir. Das wurde auch mehrmals bestätigt in den letzten Monaten und Jahren. Und sie ist auch dringend.» Denn die Ausgaben würden höher. Der Grund: Die Schweizer Bevölkerung wird älter und in den nächsten Jahren werden die Babyboomer pensioniert, die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre.
Die Reform bringe für die nächsten zehn Jahre gut 17 Milliarden Franken ein und stabilisiere damit die erste Säule während dieser Zeitspanne, so Berset. Dies, nachdem alle Versuche der letzten Jahre, die AHV zu reformieren, gescheitert waren, liege nun ein Kompromiss vor, erläuterte er. «Ein Kompromiss aus Mehreinnahmen und Einsparungen. Und die Reform modernisiert die AHV. Sie erlaubt Erwerbstätigen, ihre Rente zu verbessern, wenn sie im AHV-Alter weiterarbeiten, zum Beispiel.»
0.4 Prozentpunkte mehr Mehrwertsteuer
Das System wird also flexibler. Beispielsweise kann man künftig zur Hälfte pensioniert sein und zur Hälfte arbeiten. Die Mehreinnahmen, die Berset anspricht, sollen via Mehrwertsteuer in die AHV fliessen. Diese soll um 0.4 Prozentpunkte steigen. Die Einsparungen auf der anderen Seite erbringen die Frauen, die ein Jahr länger arbeiten sollen. Das ist der Grund, warum Linke, Gewerkschaften und Frauenverbände das Referendum gegen die Reform der AHV ergriffen haben.
Vor diesem Hintergrund jetzt einen Rentenabbau zu verlangen (...), ist nicht akzeptierbar.
Die Frauen seien finanziell noch immer schlechter gestellt, argumentiert SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen. «Ein Drittel der Frauen sind auf die AHV angewiesen, weil sie keine zweite Säule haben. Und vor diesem Hintergrund jetzt einen Rentenabbau zu verlangen, der auch noch ungenügend kompensiert ist, bedeutet wirklich eine Verschlechterung, gerade für die Frauen, und das ist nicht akzeptierbar.»
Mit der Kompensation meint Wasserfallen die Massnahmen, die den ersten neun Frauenjahrgängen den Übergang zum höheren Rentenalter finanziell erleichtern sollen. So sollen jene, die zwischen 1961 und 1969 geboren sind und mit 65 statt mit 64 pensioniert werden, einen Zuschlag erhalten. Mit der letzten Reform, die das Stimmvolk abgelehnt hatte, wären diese Abfederungsmassnahmen grosszügiger ausgefallen.
Medianrente von 1800 Franken zu tief
Wasserfallen kritisiert die Reform aber nicht nur aus Frauensicht. «Generell muss man sagen, dass die Renten zu tief sind. Gerade die AHV erfüllt mit der Medianrente von 1800 Franken den Verfassungsauftrag der Existenzsicherung nicht.» Die vorliegende Reform sei unausgewogen, sie bringe mehr Arbeit, aber weniger Geld, weniger Kaufkraft. Dabei sieht sie durchaus Alternativen, um die AHV zu sichern.
Man könne eine Mikrofinanzsteuer einführen oder Gewinne der Nationalbank verwenden, so Wasserfallen. Ihr Bundesrat Alain Berset hält sich ans Kollegialitätsprinzip. Obwohl seine Partei gegen die Reform kämpft, liess er sich keine Kritik daran entlocken. Es sei klar, der Bundesrat werde sich für die Vorlage engagieren. Und er fügte an: Wie immer führe der Bundesrat keine Abstimmungskampagne, er informiere.