Nein, die SVP erlebt keinen Höhenflug, obwohl nächsten Monat mit der Initiative gegen die Personenfreizügigkeit eines ihrer Kernthemen zur Abstimmung kommt. Ein Augenschein der «Rundschau» zeigt: Der Abstimmungskampf fällt der Partei gerade richtig schwer. Mitglieder auf dem Land haben die Städte schon verloren gegeben, wie ein Gespräch mit SVP-Mitgliedern an einer Versammlung in Brunnen (SZ) zeigt.
«Man muss mich nicht mit euch sehen»
Aber auch im städtischen Umfeld ist gerade wenig Feuer sichtbar. Schauplatz Wädenswil: 2014 hatte die Gemeinde mit 50.3 Prozent der Initiative gegen Masseneinwanderung zugestimmt. Die Zustimmung hier entsprach exakt dem nationalen Abstimmungsergebnis. Die Ortspartei hofft, den Erfolg wiederholen zu können.
Doch bei einer Gipfeli-Verteilaktion zeigt sich, das Thema zieht nicht. Etliche Leute machen einen Bogen um die SVP-Exponenten. «Sie wollen nichts nehmen, mancher sagt: ‹Nein, man muss mich nicht mit euch sehen›», erzählt der Präsident der SVP-Wädenswil, Walter Portmann.
Ermüdungserscheinungen zeigen sich
Die SVP ist immer noch die grösste Schweizer Partei. Aber beim Engagement zeigen sich Abnützungserscheinungen. Portmann sagt, die Mitglieder seien bequem geworden. «Wir haben eine Überalterung dadurch, dass wir die Jungen nicht mehr abholen können. Das ist ein wenig schade. Wenn jemand 20, 30 Jahre gekämpft hat, tritt er irgendwann ins zweite Glied und wenn dann nichts nachkommt, wird es schwierig.»
SVP macht keine Angst mehr
Das ist auch der politischen Konkurrenz nicht entgangen. Gerhard Pfister sagt, früher habe die SVP wie eine Bewegung funktioniert: Dank dem ungeheuren Engagement der Mitglieder habe sie die Themen gesetzt, die anderen Parteien vor sich hergetrieben. Das sei weg: «Man hat die Angst, die man früher vielleicht hatte, verloren. Sie ist eine normale Partei geworden.»
Das Thema Zuwanderung war schon vor Corona im Sorgenbarometer der Bevölkerung nach hinten gerutscht. Mit ihrer Initiative konnte die SVP deshalb nur schwer über die eigene Anhängerschaft hinaus punkten. Mit Corona hat sich die Situation für sie noch verschärft.
Am Rande der Versammlung in Brunnen relativiert SVP-Nationalrat Marcel Dettling: «Kann sein, dass derzeit in der Schweiz das Corona-Thema etwas mehr dominiert. Trotzdem machen sich die Leute zu Hause ihre Gedanken über die Problematik. Und ich bin überzeugt, dass am 27. September die Leute in der Mehrheit der ‹Begrenzungsinitiative› zustimmen werden.»
Tatsache ist: Die Schlussphase des Abstimmungskampfs ist gerade erst angelaufen. Abgestimmt wird am 27. September.