Die SVP will die Personenfreizügigkeit mit der EU beenden. Ihre Initiative, mit der sie das erreichen will, stösst aber auf breite Ablehnung. Und ist die Forderung der SVP nicht sogar gegen Schweizer Wirtschaftsinteressen gerichtet? Parteipräsident Albert Rösti verteidigt im Interview das Anliegen.
SRF News: Die SVP-Initiative gegen die Personenfreizügigkeit stösst in der Wirtschaft auf breite Ablehnung. Warum verkauft sich die SVP als Wirtschaftspartei, wenn ihr der Rückhalt in der Wirtschaft fehlt?
Albert Rösti: Die SVP hat einen sehr grossen Rückhalt, gerade bei den KMU. Weit über 90 Prozent der Unternehmen sind Klein- oder Mittelbetriebe. Die paar grossen Unternehmen repräsentieren kaum vollständig die Wirtschaft. Wir sind die Wirtschaftspartei, welche sich für tiefere Steuern, Gebühren und tiefere Regelungsdichte einsetzt. Das hat schliesslich den Wohlstand gebracht.
Es gibt aber viel Kritik an der Initiative – auch von Wirtschaftsverbänden, welche KMU vertreten, oder vom Bundesrat: Die SVP gefährde mit dieser Initiative den Wirtschaftsstandort Schweiz. Wenn die Schweiz nicht mehr schnell und unkompliziert Arbeitskräfte rekrutieren kann, dann sinkt das Wachstum und die Arbeitslosigkeit steigt. Die Rechnung der SVP geht so nicht auf.
Das ist ein völlig falsches Argument. Denn die Begrenzungsinitiative schreibt nicht vor, dass wir nicht selbstständig Personen in die Schweiz kommen lassen können, die wir brauchen. Fachkräfte können immer hergeholt werden, so viele man will oder braucht. Aber wir wollen mit der Initiative verhindern, dass Personen in die Schweiz kommen, welche letztendlich Sozialhilfe beziehen, arbeitslos werden oder ältere Arbeitnehmer verdrängen, welche zu teuer sind.
Bundesrätin Karin Keller-Suter sagt, ein Ja zur Initiative würde ein Schweizer Brexit bedeuten. Wollen Sie einen Schweizer Brexit?
Nein, man kann doch nicht von einem Austritt sprechen. Die Schweiz ist ja nicht Mitglied der EU – wir sind ein unabhängiges Land. Damit wir aber unabhängig bleiben können, müssen wir die Personenfreizügigkeit in Frage stellen. Ich sage immer: Nicht zu heiraten ist einfacher als zu scheiden.
Die Personenfreizügigkeit ist mit den anderen bilateralen Verträgen, den Bilateralen I, verknüpft. Wenn die Personenfreizügigkeit fällt, dann fallen auch alle anderen Verträge der Bilateralen I. Will die SVP die Bilateralen abschaffen?
Nein. Die SVP hat immer gesagt, wir stehen hinter den Bilateralen mit Ausnahme des Abkommens zur Personenfreizügigkeit. Ja, es gibt diese Guillotine-Klausel, die besagt, dass die anderen Verträge auch gekündet werden können. Dies tritt ein, wenn die EU nicht bereit ist, bei allfälliger Annahme der SVP-Begrenzungsinitiative auf Verhandlungen einzutreten und damit die Guillotine-Klausel ausser Kraft zu setzen.
Das Risiko ist aber gross, dass die EU dann sagt, «Nein, wir geben der Schweiz keinen Zugang zum Binnenmarkt ohne Personenfreizügigkeit». Und das nehmen Sie in Kauf?
Ja, das ist in Kauf zu nehmen. Aber ich glaube nicht, dass das passiert. Denn die bilateralen Verträge, welche in Frage gestellt würden, bringen auch der EU sehr viel. Wenn man es aber gewichtet, also das mögliche Schadensausmass bei Beibehaltung der Personenfreizügigkeit betrachtet, ist das in Kauf zu nehmen.
Das Interview führte Susanne Wille.