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Inländervorrang reicht nicht So will der Bundesrat Schweizer Arbeitskräftepotenzial fördern

  • Der Bundesrat schlägt Massnahmen vor, um sicherzustellen, dass Schweizer Unternehmen so viele Arbeitskräfte wie möglich in der Schweiz rekrutierten.
  • Ferner sollen ältere Arbeitskräfte gestärkt und Arbeitslose über 50 Jahren mit verschiedenen Instrumenten besser in den Arbeitsmarkt integiert werden.
  • Insgesamt beziffert der Bundesrat die Kosten auf rund 300 Millionen Franken.
  • Die meisten Massnahmen sind zeitlich befristet bis 2024.

Ausgesteuerte Personen über 60 Jahre sollen eine existenzsichernde Überbrückungsrente erhalten bis zur ordentlichen Pensionierung. Das schlägt der Bundesrat vor, neben Massnahmen zur Förderung inländischer Arbeitskräfte.

Die Personenfreizügigkeit mit der EU helfe, den Bedarf an Arbeitskräften unbürokratisch zu decken. Der Bundesrat wolle aber sicherstellen, dass Schweizer Unternehmen so viele Arbeitskräfte wie möglich in der Schweiz rekrutierten. Das entspreche auch dem Auftrag des Zuwanderungsartikels in der Verfassung.

Abstimmung zur Personenfreizügigkeit

Diesen hatte das Stimmvolk 2014 mit dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP angenommen. Bald steht die Abstimmung zur Begrenzungs-Initiative an, mit welcher die SVP das Ende der Personenfreizügigkeit fordert. Der Bundesrat hat seine Botschaft dazu noch nicht vorgelegt.

Er schlägt nun aber Massnahmen vor, die im Abstimmungskampf eine Rolle spielen könnten. Ein Teil zielt auf ältere Arbeitnehmende ab. Verlieren Personen über 50 Jahre ihre Arbeit, haben sie oft Mühe, eine Stelle zu finden. Dagegen will der Bundesrat vorgehen. Insgesamt beziffert der Bundesrat die Kosten beziehungsweise das Investitionsvolumen auf rund 300 Millionen Franken. Die meisten Massnahmen sind zeitlich befristet bis 2024.

Bessere Beratung

Mit einem dreijährigen Impulsprogramm soll das Beratungsangebot der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) für ältere Personen ausgebaut und verbessert werden. Dafür will der Bundesrat jährlich 62,5 Millionen Franken ausgeben. Der Bundesbeitrag an die Arbeitslosenversicherung soll entsprechend erhöht werden.

Erwachsene ab 40 Jahren sollen eine kostenlose Standortbestimmung, Potenzialanalyse und Laufbahnberatung in Anspruch nehmen können. Bei Berufsabschlüssen sollen Aus- und Weiterbildungen konsequenter angerechnet werden. Ausgesteuerte Personen über 60 sollen leichter Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen erhalten.

Es ist nicht auszuschliessen, dass für ältere Arbeitslose der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nicht gelingt. Trotz aller Massnahmen.
Autor: Karin Keller-Suter Bundesrätin

Wer im Alter arbeitslos wird und keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung mehr erhält, ist heute oft auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen. Der Sinn der Sozialhilfe sei aber, Betroffene möglichst rasch wieder ins Erwerbsleben einzugliedern, schreibt der Bundesrat. Bei älteren Personen könne dieses Ziel oft nur mit grossen Schwierigkeiten erreicht werden. Deshalb soll eine Überbrückungsleistung bis zur Pensionierung eingeführt werden.

Ähnlich wie Ergänzungsleistungen

Zu den Voraussetzungen gehört, dass die Person weniger als 100'000 Franken Vermögen hat, wobei selbst bewohntes Wohneigentum nicht angerechnet würde. Die Berechnung der Überbrückungsleistung würde auf den Vorschriften für die Ergänzungsleistungen basieren. Grundsätzlich entspreche sie der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den anrechenbaren Einnahmen, schreibt der Bundesrat.

Weil während des Bezugs der Überbrückungsleistung noch keine AHV-Rente bezogen werden kann, würde der Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf aber um einen Zuschlag von 50 Prozent erhöht. Die Rente der Pensionskasse würde nach Abzug eines Freibetrages als Einkommen angerechnet. Bei einer Weiterversicherung in der bisherigen Pensionskasse könnten die Beiträge als Ausgabe angerechnet werden. Plafoniert werden soll die Überbrückungsrente auf den dreifachen Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf.

Rund 2500 Personen im Jahr

Die Zahl der Betroffenen schwankt. Im Jahr 2018 waren 2657 ausgesteuerte Personen über 60 registriert. Die höchste Zahl wurde im Jahr 2004 mit 4001 Personen beobachtet, die tiefste 2009 mit 1697 Personen.

Die Kosten im Überblick

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  • Integrationsvorlehre (Invol) verlängern und öffnen

    Kosten: 44.8 Millionen Franken über 3 Jahre

  • Nachhaltigen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt für Flüchtlinge

    Kosten: 3.8 Millionen Franken pro Jahr, über 3 Jahre

  • Kostenlose Standortbestimmung und Potenzialanalyse

    Kosten: 30.3 Millionen Franken für den Bund

  • Berufsabschluss für Erwachsene

    Kosten: 3.2 Millionen Franken für den Bund

  • Zusätzliche Arbeitsmarkt-Integrationsmassnahmen

    Kosten: Die zusätzlichen Kosten für das Impulsprogramm betragen über die Jahre 2020, 2021 und 2022 jährlich CHF 62.5 Millionen Franken.

  • Erleichterter Zugang für ausgesteuerte Personen

    Kosten: Für die Jahre 2020, 2021 und 2022, insgesamt 21 Millionen Franken.

  • Überbrückungsleistung für ausgesteuerte Arbeitslose über 60

    Kosten: Für das Niveaujahr 2018 wird mit Kosten in der Höhe von rund 95 Millionen Franken gerechnet.

Für 2018 würde die Überbrückungsrente rund 95 Millionen Franken kosten. Die Berechnung beruht auf der Annahme, dass 60 Prozent der ausgesteuerten Personen einen Anspruch auf die maximale Leistung haben. Die Kosten für die Folgejahre wären höher, da mehr Personen hinzukämen. Eine Schätzung gibt der Bundesrat nicht ab.

Anrechnung von Bildungsleistungen

Erwachsene sollen zudem effizient zu einem Berufsabschluss gelangen. Das Gesetz sieht deshalb vor, dass bereits vorhandene berufsspezifische Fertigkeiten angerechnet werden können. Erwachsene müssen dadurch gewisse Ausbildungs- oder Prüfungsteile nicht mehr absolvieren und können die Ausbildung rascher abschliessen. Wer einen Abschluss vorweisen kann, verfügt über ausgewiesene Qualifikationen und hat so auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen.

Mit der Massnahme «Berufsabschluss für Erwachsene: Anrechnung von Bildungsleistungen» soll sichergestellt werden, dass die Bildungsleistungen in der beruflichen Grundbildung schweizweit konsequent angerechnet werden. Das auf fünf Jahre angelegte Projekt beinhaltet den Aufbau der notwendigen Strukturen in den Kantonen. Ferner die Entwicklung und Umsetzung eines Schulungsmoduls für Fachpersonen. Schliesslich geht es um die Promotion der Angebote und die Sensibilisierung und Unterstützung der für die berufliche Grundbildung zuständigen Branchenverbände.

Integrationsvorlehre in der Pflege

Weitere Massnahmen zielen auf die Integration von Ausländerinnen und Ausländern in den Arbeitsmarkt ab. Seit 2018 gibt es die Integrationsvorlehre (Invol) für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Der Bundesrat will das Programm nun auf junge Zuwanderer ausserhalb des Asylbereichs ausweiten.

Das Programm soll zudem um zwei Jahre bis 2023/2024 verlängert und auf weitere Berufsfelder mit Arbeits- und Fachkräftemangel ausgedehnt werden. Im Vordergrund stehen die Berufsfelder Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) und Pflege. Statt wie bis anhin 1000 werden neu 1500 Plätze angeboten. Auch die Bundesverwaltung soll Integrationsvorlehren anbieten.

Darüber hinaus will der Bundesrat schwer vermittelbaren Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt mit finanziellen Zuschüssen erleichtern.

Im Rahmen eines Pilotprogramms sollen Arbeitgeber Einarbeitungszuschüsse erhalten. Damit sollen sie gewährleisten, dass jährlich 300 schwer vermittelbare Personen ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit «on the job» aufbauen und nachhaltig im Arbeitsmarkt Fuss fassen können. Das Ziel ist, dass sie einen längerfristigen Arbeitsvertrag erhalten.

Die Höhe, Dauer sowie die Rahmenbedingungen der finanziellen Zuschüsse werden im Einzelfall zusammen mit dem Arbeitgeber festlegt.

Reaktionen auf den Massnahmen-Plan

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  • Sozialhilfekonferenz Skos: Möchte die Vorschläge rasch umsetzen. Sie plädiert bei der Überbrückungsrente für eine Altersgrenze von 57 Jahren.
  • Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB): Freut sich über die vorgeschlagene Überbrückungsleistung für über 60-jährige Ausgesteuerte. Ebenso über das Impulsprogramm für die Unterstützung und die Beratung älterer Arbeitsloser und die Ausdehnung der Integrationsvorlehre.
  • Der Arbeitnehmer-Dachverband Travail.Suisse: Begrüsst die Massnahmen für ältere Arbeitnehmer. Entscheidend sei, dass die Arbeitgeber ihre Angestellten vermehrt bei der Weiterbildung unterstützen.
  • Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV): Erklärt sich ebenfalls einverstanden mit dem Massnahmenkatalog zu Arbeitsmarkt, Bildung und Sozialpolitik.
  • Die Schweizerische Volkspartei (SVP): nennt den Vorschlag für die Überbrückungsrente «unbrauchbar». Eine solche werde dazu führen, dass ältere Angestellte leichter entlassen und mit der Rente abgespiesen werden. Dank der Personenfreizügigkeit würden sie durch «jüngere und günstigere Ausländer» ersetzt.
  • Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP): Die SP spricht von einem Schritt in die richtige Richtung, will aber weiter gehen: Umschulen lassen müssten sich auch Angestellte, deren Stelle gefährdet sei. Ihnen müssten nicht nur die Ausbildungskosten, sondern die Lebenshaltungskosten finanziert werden.

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