An den ersten vier Verhandlungstagen war der Angeklagte stets im Berner Amthaus erschienen. Die Aussagen von 13 der 16 Opfer hatte er per Video aus einem Nebenraum verfolgt. Am Montagmorgen war er selber einvernommen worden, am Nachmittag hatte ihn seine Ex-Frau schwer belastet. Sie äusserte die Überzeugung, dass er der Schuldige an den 16 HIV-Infizierungen sei.
Der «Heiler» befindet sich auf freiem Fuss. Die bernische Justiz hatte ihm zwar ursprünglich mehrere sogenannte Ersatzmassnahmen auferlegt. So durfte der Mann den Kanton nicht verlassen und musste sich jeden Tag persönlich bei der Polizei melden. Das Bundesgericht strich aber die meisten dieser Auflagen; sie seien unverhältnismässig, befand das höchste Gericht.
Mit Messer im Wald
Am Dienstag - am fünften Prozesstag - sagte ein weiteres Opfer vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland aus. Ein ehemaliger Musikschüler des «Heilers» berichtete, er habe sich ausgebrannt gefühlt, worauf der «Heiler» ihm angeboten
habe, «ein inneres drittes Auge zu öffnen». Der «Heiler» habe ihn angewiesen, seine Konzentration auf eine Kristallkugel zu lenken. Das habe er getan. Nach etwa 20 Minuten habe der «Heiler» gesagt, es sei vorbei, er habe die Nadel wieder aus dem Nacken gezogen.
Erst zu diesem Zeitpunkt habe er realisiert, dass ihn der «Heiler» gestochen haben müsse, berichtete der Mann. Seine HIV-Infizierung führt er auf diese «Behandlung» zurück. Das Leben mit HIV und Hepatitis C sei sehr belastend, machte der Mann deutlich. Einer der schlimmsten Momente sei gewesen, als nach seiner Positiv-Diagnose seine Ehefrau den HIV-Test gemacht habe. «Ich stand im Wald mit einem Messer in der Hand und wartete auf das Ergebnis. Ich hätte es mir nicht verziehen, wenn ich meine Frau angesteckt hätte.»