Manche Menschen scheinen von Natur aus resistent zu sein gegen das Altern. Das ist bei der 96-jährigen Lyne Charnay der Fall, die immer noch in New Yorker Kabaretts auftritt. «Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, 96 Jahre alt zu sein», sagt sie. «Ich habe eher das Gefühl, 75 zu sein.»
Lyne gehört zu einer Gruppe aschkenasischer Juden, die wegen ihrer aussergewöhnlichen Langlebigkeit erforscht wurden. Professor Nir Barzilai, Leiter des Instituts für Alternsforschung am Albert-Einstein-College of Medicine in New York, erklärt: «Sie erfreuen sich nicht nur besserer Gesundheit, sondern werden auch weniger häufig krank». Dieses Phänomen wird als «Morbiditätskompression» bezeichnet.
Über das chronologische Alter hinaus interessieren sich Wissenschaftler auch für das biologische Alter, unsere «innere Uhr». Die Forscherin Morgan Levine von der Yale School of Medicine hat einen Test entwickelt, um das biologische Alter zu berechnen. Sie sagt: «Ich bin chronologisch 36 Jahre alt, und der letzte Test, den ich gemacht habe, zeigte, dass ich biologisch 31 Jahre alt bin.»
Der Test basiert auf der Analyse der DNA und den Veränderungen, die sich mit zunehmendem Alter auf der DNA bilden und die die Zellfunktion beeinträchtigen. Ein erstes Zahnrad unserer biologischen Uhr liegt für Maria Blasco, Molekularbiologin und Direktorin des nationalen Krebsforschungszentrums in Madrid, in den Telomeren, den schützenden «Kappen» am Ende der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden und unsere DNA schwächen.
Kann man die Verkürzung der Telomere stoppen oder umkehren? Maria Blasco arbeitet daran, indem sie Mäusen das Gen für Telomerase injiziert, ein Enzym, das die Telomere verlängert. «Wir haben beobachtet, dass diese Mäuse länger lebten und alle mit dem Altern verbundenen Krankheiten, einschliesslich Krebs, verzögert wurden», berichtet Blasco.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Bekämpfung seneszenter Zellen, der sogenannten Zombie-Zellen, die sich mit zunehmendem Alter ansammeln und chronische Entzündungen fördern. «Eines der Merkmale des alternden Gewebes ist die Entzündung», erklärt Professor Judith Campisi, Biogerontologin am Buck Institute of Research on Aging. «Entzündungen sind die Ursache für die meisten, wenn nicht sogar für alle altersbedingten Krankheiten.» In klinischen Studien werden derzeit «senolytische» Moleküle getestet, die diese Zellen eliminieren können.
Neben diesen hochmodernen Techniken interessieren sich die Forscher auch für natürliche Methoden wie das Fasten. «Fasten bewirkt nicht nur Effekte auf einen einzelnen Aspekt, sondern auf mehrere biologische Systeme. Und offenbar verjüngt es diese verschiedenen Systeme», erklärt Professor Valter Longo, Biogerontologe an der Universität von Kalifornien.
All diese Forschungsaktivitäten eröffnen zwar neue Perspektiven, werfen aber auch ethische Fragen auf. Wie weit soll man auf der Suche nach einem langen Leben gehen? «Man verlangt von uns Forschern, dass wir die Grenzen des Wissens erforschen», betont Professor Jean-Marc Lemaître vom staatlichen französischen Institut für Gesundheit (Inserm). «Man kann uns bei der Entwicklung dieser Experimente nicht bremsen. Aber danach muss man tatsächlich Regeln dafür schaffen.»