Chef zu sein, ist nicht mehr der grosse Traum vieler junger Menschen. Eine kürzlich durchgeführte Studie des britischen Personalvermittlungsunternehmens «Robert Walters» besagt, dass 52 Prozent der Erwerbstätigen unter 30 Jahren die Idee ablehnen, Managerin oder Manager zu sein. 16 Prozent der Befragten würden sogar jede Funktion ablehnen, die Teammanagement beinhaltet.
Früher definierte sich ein erfolgreiches Leben vor allem über die Arbeit (...). Heute haben junge Menschen ein anderes Verhältnis zum Job.
Adrian Schwery ist einer von ihnen. Heute ist er selbstständig, früher leitete er eine Kommunikationsagentur. Doch das Arbeitspensum, die mentale Belastung und das Teammanagement waren zu viel. «Ich erinnere mich noch an den Tag, als Schluss war. Ich war erleichtert. Man hat weniger Angst, weniger Sorgen vor dem nächsten Tag. Ich denke, meine geistige Gesundheit dankt es mir, dass ich den Chefposten verlassen habe», so Schwery im Westschweizer Fernsehen RTS.
Ein verändertes Verhältnis zur Arbeit
Dieses Phänomen, genannt «conscious unbossing», erklärt sich durch die Entwicklung des Verhältnisses zur Arbeit bei den neuen Generationen, erläutert Elodie Gentina, Marketingprofessorin an der Wirtschaftshochschule IESEG und Forscherin mit Schwerpunkt Generation Z, gegenüber RTS.
Warum Junge nicht mehr ins Management wollen:
«Früher definierte sich ein erfolgreiches Leben vor allem über die Arbeit. Die Arbeit war eine Priorität, das Unternehmen bot alles, ein lebenslanges Gehalt. Heute haben junge Menschen aber ein anderes Verhältnis zur Arbeit. Für sie ist ein rundum erfülltes Leben wichtig. Die Arbeit ist ein Teil davon, aber nicht mehr die einzige Komponente.»
Ihrer Meinung nach macht diese Entwicklung Sinn: «Covid war zwar nicht der Auslöser für alles, aber es hat Fragen aufgeworfen in Zusammenhang mit Homeoffice, Sinnsuche und ökologischem Wandel. Kommt dazu, dass junge Menschen heutzutage klar artikulieren können, was sie wollen.»
Managementposten attraktiver machen
Diese Entwicklung beunruhigt die Unternehmen. Die Generation Z wird älter und irgendwann die Führungsjobs übernehmen müssen. Einige Firmen haben daher bereits Veränderungen angestossen, um diese Jobs attraktiver zu machen. Die Post ist eine von ihnen.
«Wir bieten die Führungspositionen in Teilzeit oder als Co-Leitung an. Das ermöglicht es, genau diese Balance zwischen Privat- und Berufsleben aufrechtzuerhalten», erklärt Laurent Tornare, Verantwortlicher für Talentakquise bei der Post.
Diese Balance war für Adrian Schwery essenziell. Er schliesst es nicht aus, eines Tages wieder ins Management zurückzukehren, jedoch würde er vieles anders machen. «Man kann sich Unternehmen mit etwas weniger Managern und mehr Horizontalität vorstellen, um die Mitarbeitenden stärker in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.»
Für Elodie Gentina müssen auch die Rekrutierungsprozesse geändert werden, die nicht mehr unbedingt unserer heutigen Gesellschaft entsprechen: «Wir müssen die Art und Weise überdenken, wie wir Bewerbungsgespräche führen. Man könnte sie in Form von Unternehmensbesichtigungen durchführen, um das Team zu treffen und nicht nur die Personalabteilung. Oder man könnte den Integrationsprozess aufwerten, die Schulungsprogramme überarbeiten, sicherstellen, dass junge Menschen mehr Initiativen im Unternehmen ergreifen können.»