«Ask us anything», «Was wir wirklich wollen» oder «Decoding the Digital Generation» heissen die Panels, vor deren Bühnen Hunderte verwirrter Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber jungen Menschen gebannt zuhören, während die über Remote Work, Sabbaticals und flexible Arbeitszeiten philosophieren.
«Fringe Benefits» (Zusatzleistungen zum Lohn) und «Workation» (Arbeiten an einem Ferienort) sollen genau diese jungen Leute aus der Generation Z in die Unternehmen locken. Die zwischen 1997 und 2012 geborenen sind gefragt – und für viele auf dem Arbeitsmarkt ein grosses Mysterium.
Kaum eine Woche vergeht, in denen in den Medien nicht über die ambivalente Generation Z zu lesen ist. Sie seien faul und fordernd, wollten wenig arbeiten, aber viel verdienen. Gleichzeitig kann die digitalen Supercracks niemand richtig greifen. Es ist kompliziert. Aber warum eigentlich?
Zum ersten Mal müssen Chefinnen hinhören
«So mysteriös ist diese Generation gar nicht», sagt Ronja Ebeling, Journalistin und selbst Vertreterin der Gen Z. «Viele Arbeitgeberinnen sind so verunsichert, weil sie sich zum ersten Mal mit den Lebensphasen beschäftigen müssen, in denen ihre Angestellten stecken, um sie von sich zu überzeugen.» Die deutsche Journalistin hat für ihr Buch «Work Reloaded» mit Führungskräften über die Anforderungen der jungen Generation gesprochen.
Vorab: Vergünstigungen des ÖV, Gratisparkplätze und Aktienanteile reichen nicht aus. Die jungen Menschen wollen im Job als Individuen gesehen und gehört werden.
All die Verunsicherten sollten sich also fragen: Was beschäftigt diese jungen Menschen gerade?
Tatsächlich hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren drastisch verändert: Während die jungen Menschen früher Schlange standen vor den Unternehmen, um einen Praktikumsplatz zu ergattern, sorgt der demografische Wandel dafür, dass um die Generation Z gebuhlt wird: Es gibt wenige von ihnen. Der Kampf um sie wird härter. Wofür sie sich entscheiden – als Wohnort, als berufliche Abzweigung – entscheidet darüber, welche Regionen und Branchen Zukunft haben.
«All die Verunsicherten sollten sich also fragen: Was beschäftigt diese jungen Menschen gerade? Wie sieht ihr Portemonnaie, ihre Wohnsituation aus? Und wie kann man genau diese Lebensrealitäten in den Joballtag integrieren?», so Ebeling. Hinhören lautet also der Auftrag – an die Arbeitgebenden und den Rest. Gesagt, getan.
Gen Z: Faul und unmotiviert?
«Ich bin Vollzeitstudentin, Projektmanagerin in einer Kreativagentur und Social-Media-Redaktorin bei Ringier.» Jennifer ist 22 Jahre alt und gehört zur «Generation Faul», wie ihre Alterskohorte in einschlägigen Medien genannt wird. Auch eine Studie des Instituts für Generationenforschung in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY) unterstreicht diese gesellschaftliche Wahrnehmung: Rund 70 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass die Generation Z in der Arbeitswelt weniger leistungsfähig sei als ältere Generationen. Sie nehme den Job schlicht weniger ernst.
Der 24-jährige Jascha ist Koch, Gründer einer Cateringfirma, veranstaltet Partys und Konzerte und ist DJ. Timon ist 18, hilft beim Aufbau einer Job-App und ist unterdessen selbstständig. In den letzten zwei Jahren half er Grossunternehmen dabei, ihre Social-Media-Kanäle aufzubauen. Wir haben mit ihnen über ihren Blick auf Arbeit gesprochen. Auf die Frage, wie wichtig der Job auf einer Skala von 1 bis 10 für ihn ist, antwortet Timon: «10! Das, was ich mache, liebe ich.»
«Ich identifiziere mich sehr stark mit meinem Job – und wenn ich schon die meiste Zeit meines Lebens mit der Arbeit verbringe, will ich etwas machen, das mir Spass macht», so Jennifer. «Ein typisches Gen-Z-Klischee, ich weiss. Aber es ist so.» Sie lacht.
Was bedeutet «Spass» überhaupt?
«Im Idealfall sollte der Spass zu flexiblen Arbeitszeiten und an flexiblen Orten stattfinden – mit flachen Hierarchien, Arbeitsplatzsicherheit und Perspektiven zur Weiterentwicklung», so Jascha. Das bestätigt auch die Studie «Junge Schweizer*innen 2022», die 2295 Schweizerinnen und Schweizer im Alter von 15 bis 31 Jahren befragt hat, was ihnen bei der Arbeit Spass bringt.
Der Jugendforscher und Co-Autor der Studie, Simon Schnetzer, hält die faulen, verantwortungslosen jungen Menschen für einen Mythos. «Sie wollen sich einfach nicht totarbeiten. Junge Menschen sind durchaus bereit, unglaublich viel zu leisten, wenn sie merken, dass sie dadurch etwas bewegen können.»
Nur: Wie schafft man es überhaupt, die jungen Menschen dazu zu motivieren, etwas bewegen zu wollen? Spoiler: mit Arbeit.
Welt verbessern, Purpose finden: Typisch Gen Z?
Neben dem Schreiben ihrer beiden Bücher und dem Hosten ihres Podcasts hat Ronja Ebeling ein Start-up gegründet. Das «Team of Tomorrow» soll Arbeitgebenden dabei helfen, mit der Gen Z klarzukommen. «Wir haben vier Peer Groups kategorisiert: Nur eine von ihnen ist die Purpose-behaftete.» Dass alle drauf stehen, mit ihrem Job die Welt retten zu wollen, ist also schlicht falsch. Es gibt auch junge Menschen, die auf Statussymbole abfahren oder sich nach einem Silicon-Valley-Leben sehnen.
Das Wichtigste sei, dass sich die Mitarbeitenden in ihrem Anspruch nach Selbstwirksamkeit gesehen fühlten – egal, ob das bedeutet, dass sie damit protzen oder die Welt verbessern können: «Wenn diese jungen Menschen das Gefühl haben, es mache keinen Unterschied, ob sie da sind oder nicht, scheitert die Bindung ans Unternehmen», so Schnetzer.
Für Chefinnen und Chefs bedeutet das Bindungsarbeit – Arbeit, die Aufmerksamkeit und Zeit erfordert. Arbeit, die erfordert, dass man Menschen wie Jennifer, Jascha oder Timon erklärt, welchen Beitrag sie mit ihrer Arbeit für das Unternehmen leisten.
Der Wunsch nach Instant-Feedback
Den Grund für das grosse Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung muss man nicht lange suchen. Er liegt bei den meisten Gen-Zlerinnen auf, beziehungsweise in der Hand: das Smartphone. Sie sind damit aufgewachsen, dass Posts direkt Likes und Kommentare generieren.
Die Gen Z bewegt sich auf dem Arbeitsmarkt wie auf Tinder.
«Diese Erwartungshaltung von Instant-Feedback ist auch bei der Arbeit da», so Jugendforscher Schnetzer. Wird das zu wenig erfüllt, werden diese jungen Arbeitnehmenden entweder gehen – oder sehr unglücklich. Aber ist das ein Alleinstellungsmerkmal der Gen Z? Mitnichten. Diverse Studien zeigen, dass Feedback auch der älteren Generation sehr wichtig ist, nur: «Die Gen Z fordert es viel deutlicher ein», so Schnetzer.
Wahrscheinlich auch deshalb, weil sich die jungen Menschen in einer Lebensphase befinden, in der Fragen wie «Wer will ich sein?«, «Was will ich erreichen?» und «Wo arbeite ich?» omnipräsent sind. Die Wertschätzung in Form von Feedback bietet ihnen also auch Halt und Orientierung.
Unverbindlich aus Gründen
Apropos Smartphone: In einem Artikel von 2022 beschreibt die britische Soziologin Eliza Filby, dass sich die Gen Z auf dem Arbeitsmarkt bewege wie auf Tinder. Gleichzeitig zeigen Studien wie der «Jugendbarometer 2023», «Junge Schweizer*innen» und «Deloitte Jugend», dass der Wunsch nach Arbeitsplatzsicherheit bei den jungen Menschen enorm ausgeprägt ist. Wie passt das zusammen?
«Passt perfekt», sagt Simon Schnetzer. «Sie schauen, welche Möglichkeiten sie haben. Dazu kommt die Fomo, Fear of Missing out.» Übertragen auf eine Arbeitsstelle bedeutet das: Wenn sie die Möglichkeit haben, unterschreiben sie gleich bei mehreren Firmen, um ihre Chancen auf die beste Stelle zu maximieren. Die Gen Z hält sich alle Optionen offen.
Der grösste Stolperstein in gemischten Teams: Die Unverbindlichkeit der Gen Z.
Aus der Erfahrung weiss der Jugendforscher aber: «Von der anderen Seite, vom Arbeitgeber, wünschen sich die jungen Arbeitnehmenden Sicherheit: Wenn ich mich schon für dich entscheide, dann möchte ich, dass du auch dazu stehst.» Schnetzer erzählt von Gesprächen auf Ausbildungsmessen, in denen Arbeitgebende verzweifeln, weil ihre Lernenden am ersten Tag einfach nicht erscheinen.
Immer online, immer verfügbar, immer bereit, zu- oder abzusagen. «Aufgrund ihres Smartphones herrscht ein anderes Verständnis von Pflicht. Aber wenn sie wissen, warum es wichtig ist, dass sie um neun Uhr auch wirklich erscheinen, können sie das.» Sie führen also nicht einfach aus. Sie hinterfragen – auch wenn das bedeutet, dass ihre Vorgesetzten den Kopf schütteln.
«Vielleicht ist es uns tatsächlich ein bisschen egaler als unseren Eltern in unserem Alter, was Chefs über uns denken», sagt Jennifer. Und vielleicht sei das auch ein bisschen gesünder für sie.
Opfer der ständigen Verfügbarkeit
Die jungen Menschen sind auch Opfer der ständigen Verfügbarkeit. Die Grenzen zwischen privat und Job verschwimmen – sei es, weil Social Media zu ihrem Job gehört, weil sie mit ihren Arbeitskolleginnen und Freunden auf den gleichen Kanälen chatten. Weil sie sich nicht nur mit ihren Nachbarinnen, sondern mit der ganzen Welt vergleichen müssen.
«Man muss schauen, dass man am Ball bleibt im Job und im Privatleben. Es ist viel, viel Druck und Stress», erzählt Jascha. Er hatte vor einiger Zeit ein Burnout.
Generation mit eingebauter Burnout-Sperre?
Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann, Autor diverser Jugendstudien, schreibt jungen Berufseinsteigern eine «eingebaute Burnout-Sperre» zu. «Die jungen Leute sind digital gross geworden. Sie wissen, dass sie 24 Stunden am Tag erreicht werden können. Und das möchten sie nicht aus ihrem Privatleben ins Berufsleben übertragen.» Und trotzdem: Keine Generation leidet so sehr unter Leistungsdruck und Stress wie die Gen Z.
Regina Jensen, Arbeitspsychologin bei Gesundheitsförderung Schweiz, erklärt das so: «Wenn ich mit Kriegen, Naturkatastrophen und Pandemien konfrontiert bin, fehlen mir an anderer Stelle Bewältigungsmöglichkeiten, um mit Belastungen bei der Arbeit umzugehen.» Bei jungen Frauen komme vielleicht der Druck der Familienplanung hinzu.
Ausserdem sehen die jungen Menschen, wohin diese Belastungen im Job führen können. Und sie sprechen nicht hinter verschlossenen Türen darüber. «Ich glaube, Corona hat dafür gesorgt, dass das Thema psychische Gesundheit viel präsenter geworden ist. Vielen ist dadurch vielleicht auch klar geworden: Wenn es dir psychisch gut geht, dann gehts dir in deinem Job gut», so Timon. Sich um die mentale Gesundheit kümmern, damit man sich weiterhin um den Job kümmern kann. Eigentlich vernünftig.
Abgrenzen – wenn nötig mit Hilfe
«Ich glaube, meine Generation kann besser Nein sagen – zum Beispiel, was Überstunden angeht», so Ronja Ebeling. Könne das jemand aber nicht, sei es die Aufgabe von Arbeitgebenden, diese ambitionierten Menschen aufzufangen. Wie wichtig dieser präventive Gesundheitsschutz ist, zeigen die steigenden Burnout-Fälle. Auch dafür muss man Mitarbeitende in ihren Bedürfnissen abholen.
Klar ist: Auch wenn die Befragten als Vertreterinnen dieser Generation auftreten, bilden sie nur einen Bruchteil davon ab. Wenn sie etwas sagen, trifft das nicht auf die ganze Generation zu. Und doch: Es ist ein Anfang, denn es ist klar: Was diese Generation vom Arbeitsmarkt will, ist nicht kompliziert. Sie will, dass wir uns mit ihrer Lebenssituation auseinandersetzen.
Die Fragen, die gerade noch gestellt werden, sind nicht mehr als verzweifelte Hilferufe der Boomer.
«Ich möchte mich nicht verstellen müssen beim Arbeiten. Ich möchte einfach ich sein, wenn ich arbeiten gehe. Das trägt ja auch dazu bei, dass man sich wohlfühlt. Auch ein freundschaftliches Verhältnis zu den Arbeitskollegen und Vorgesetzen hilft. Ich finde nicht, dass das ein Widerspruch ist», sagt Jennifer.
Eigentlich ist es also ganz einfach: Unternehmen müssen hinschauen, Fragen stellen und zuhören, um diese Generation für sich zu gewinnen. «Nicht fragen, wer zukünftig unsere Rente bezahlt, oder ob die überhaupt noch arbeiten wollen. Denn das sind nicht mehr als verzweifelte Hilferufe der Boomer-Generation», so Simon Schnetzer.
Fragen, die auf Mitarbeitende als Individuen abzielen. Fragen, die jede und jeder sich auch selbst stellen sollte. Die Beschäftigung mit der Generation Z bedeutet also vielleicht vor allem eine Auseinandersetzung mit uns selbst. Am besten wir fangen gleich damit an.