Im Sudan führen die nationale Armee und die Miliz Rapid Support Forces (RSF) seit über einem Jahr einen brutalen Krieg. Die Auswirkungen: Mindestens 8.5 Millionen Menschen wurden seit Ausbruch des Krieges vertrieben. Fast zwei Millionen sind bereits geflohen. Tausende weitere kommen täglich hinzu. Nach Einschätzung des früheren UNO-Sonderbeauftragten für den Sudan, Volker Perthes, handelt es sich um die grösste humanitäre Krise der Welt.
«Nicht besonders spendenfreudig»
Europa nimmt davon nur wenig Notiz. Unicef Schweiz schreibt dazu: «Der Konflikt im Sudan ist eine Notfallsituation. Die Helfenden und ihre Partnerorganisationen geben ihr Bestes – aber die Mittel sind knapp. Anders als etwa beim Krieg in der Ukraine zeigt sich die globale Bevölkerung beim Sudan nicht besonders spendenfreudig.»
El-Wathig el-Gozoli überrascht das nicht. Der 57-jährige Sudanese lebt seit vielen Jahren in der Schweiz und arbeitet als IT-Spezialist. «Der Sudan ist für die Schweizer Bevölkerung weit weg und die Situation wohl zu verworren.» Trotzdem versucht er, die Menschen in seiner Umgebung zu sensibilisieren, etwa bei der Arbeit oder im Turnverein.
«Ich erzähle dann, dass mein 90-jähriger Vater zusammen mit meinen zwei Schwestern aus dem Land geflüchtet ist, dass unser Haus von den Milizen besetzt wurde, dass meine Tante und mein Onkel auf der Flucht gestorben sind.»
El-Gozoli ist Mitglied des Vereins «Sudanese Swiss Charity». «Als vergangenes Jahr der Krieg ausbrach, wussten wir: Wir müssen etwas tun», sagt die Vereinsgründerin Nagla Fathi.
Sogleich haben die Mitglieder einen Benefizanlass durchgeführt, bei dem sie Geld sammelten. Die rund 3500 Franken, die dabei zusammenkamen, teilten sie zwischen zwei Organisationen auf: Der Islamic Relief mit Sitz in Genf, und dem UNO-Flüchtlingshilfswerk Switzerland for UNHCR.
Aktuell zählt der politisch unparteiische Verein erst elf aktive Mitglieder, bis Ende Jahr erwarte man bis zu 50 weitere.
Ein Traum in Trümmern
«Es macht uns traurig, dass der Sudan in der internationalen Berichterstattung vergessen geht», sagt Fathi. «Bei den Massenprotesten im Jahr 2019 waren wir voller Hoffnung», erzählt sie. «Nach dem Fall des islamistischen Diktators al-Bashir träumten viele von einem friedlichen, neuen Sudan.» Dieser Traum liege nun in Trümmern.
Doch warum geht dieser Krieg vergessen? «Der Krieg wird nicht vergessen, sondern ignoriert», sagt Roman Deckert, unabhängiger Sudananalyst. Er hofft auf eine intensivere Berichterstattung.
Dass das nicht geschehe, könne auch daran liegen, dass er sich nicht so einfach in «Gut und Böse» einteilen lasse. «Oft wird es so dargestellt, als würden zwei verfeindete Gruppen wie Tiere gegeneinander losgehen», sagt Deckert.
«Dieser Krieg ist global verwoben», sagt Deckert. Schon lange sei etwa ein Machtkampf um die natürlichen Ressourcen in Gange. «Auch die Schweiz spielt eine Rolle, wenn es um Handelsbeziehungen mit Rohstoffen geht.» Zum Beispiel der Goldhandel, der eine wichtige Finanzierungsquelle des Krieges ist. Laut Medienberichten gelangt über die Vereinigten Arabischen Emirate auch immer wieder Gold aus dem Sudan in die Schweiz. Nicht zuletzt sollte sich die Schweiz für die zahlreichen Menschen interessieren, die vor dem Krieg flüchten. «Es ist davon auszugehen, dass viele von ihnen in der Schweiz Zuflucht suchen werden», sagt Deckert.