Am Anfang der Theorie des «blue mondays» stand ein Werbegag des britischen Fernsehsenders Sky Travel. Im Jahr 2005 verschickte er in einer Pressemitteilung eine komplexe mathematische Formel, die verschiedene Faktoren berücksichtigte, um den traurigsten Tag des Jahres zu bestimmen.
In Wirklichkeit ging es darum, die Konsumentinnen und Konsumenten dazu zu bewegen, eine Ferienreise zu buchen – in der Annahme, dass sie das eher an Tagen tun, an denen ihre Stimmung im Keller ist.
Entwickelt hatte die Formel der britische Psychologe Cliff Arnall von der Universität Cardiff. Diese hat sich inzwischen von seiner Erfindung distanziert. Die Formel basiert auf der Annahme, dass Variablen wie Wetterbedingungen (W), Schulden (D), Monatsgehalt (d), Zeit seit Weihnachten (T), Zeit seit dem Scheitern der Neujahrsvorsätze (Q), niedriges Motivationsniveau (M) und das Gefühl, handeln zu müssen (Na), den «blue monday» bestimmen. Eine wissenschaftliche Basis gibt es dafür nicht.
Dass die Formel trotzdem noch heute von sich reden macht, liegt vielleicht daran, dass sie einen Kern Wahrheit enthält. «In der Mitte der Wintermonate herrschen besondere Umwelt- und Witterungsbedingungen», sagt der Psychiater Amos Miozzari.
«Es gibt weniger Sonneneinstrahlung, das kann die Stimmung beeinträchtigen, insbesondere bei empfindlicheren Menschen. Dadurch wird eine Reihe von hormonellen Faktoren ausgelöst: Wenn wir weniger Sonne haben, produzieren wir weniger Serotonin, und das wirkt sich auf unsere Stimmung aus. Weil es länger dunkel ist, produzieren wir gleichzeitig mehr Melatonin, was die Schläfrigkeit und das Gefühl von Müdigkeit und Erschöpfung verstärkt.»
Die durch die Jahreszeit bedingten Umstände können zusammen mit den erwähnten individuellen Variablen zu echten saisonalen Depressionen führen. «Zu dieser Jahreszeit sind die Anfragen an uns Fachleute sehr zahlreich», bestätigt Miozzari. Gemäss seinen Beobachtungen kann diese heikle Periode vom Herbst bis zum Ende des Winters andauern.
Bei depressiven Symptomen sollte immer ein Facharzt konsultiert werden. Für den Alltag gibt Amos Miozzari aber einige Tipps, die man anwenden kann: «Der Mensch hat neben den primären physiologischen Bedürfnissen, wie Essen und Trinken, noch weitere. Wir brauchen soziale Beziehungen, und im Winter halten wir uns oft in geschlossenen Räumen auf. Wenn wir Beziehungen pflegen und so die Isolation vermeiden, können wir diese Stimmungstiefs verhindern.»
Und eine zweite Empfehlung von Miozzari lautet: «Wir brauchen eine bestimmte Anzahl von Stunden, die wir dem Licht ausgesetzt sind. Wenn wir die Möglichkeit dazu haben, zum Beispiel an den Wochenenden, sollten wir uns im Freien aufhalten. Das ist entscheidend für unsere körperliche und geistige Gesundheit.»