Wie mit Depressionen im Alltag umgehen? Remo Schraner hat Antworten. Seit seiner Jugend lebt er mit Depressionen. Er nutzt diese Erfahrung als Ressoruce und verantwortete die Berichterstattung über mentale Gesundheit bei einem grossen Schweizer Newsportal. Zudem referiert er als Gastdozent an Schweizer Hochschulen zum Thema.
Wann Hilfe holen?
- Merkst du, dass du plötzlich viel mehr Risiken eingehst und dir auch egal ist, ob du dich dabei verletzt oder nicht – zum Beispiel beim Autofahren oder beim Sport?
- Bist du nach dem Schlafen immer noch sehr müde?
- Macht dir dein Hobby einfach keine Freude mehr?
Das können Anzeichen für eine depressive Episode sein. Vertrau dich jemandem an, sei es einem Kollegen oder deiner Hausärztin. Warte nicht zu lange!
Sexleben
Eine Erektionsstörung oder Sexflaute ist im eigentlichen Sinn «nicht geil». Depression kann aber genau dies auslösen, weil sie dir all deine Energie raubt.
- Zwinge dich zu nichts. Sprich mit deiner Partnerin / deinem Partner über die Situation. Damit ist nicht eine stundenlange Diskussion gemeint, sondern ein einfaches: «Hey Schatz, heute mag ich einfach gerade nicht.»
- Haltet eure Beziehung auch ohne Sex spannend. Kuschelt wie Teenies einen Abend lang auf dem Sofa oder gönnt euch gegenseitig eine Massage. Nicht jeder Körperkontakt muss mit Sex enden.
- Falls die Sexflaute länger andauert und sie dich stört: Schau das mit einer medizinischen Fachperson an.
Berufsalltag
Falls du dich dazu entscheidest, offen über deine Depression zu reden, kann ich dir einen persönlichen Tipp geben, der mir damals sehr geholfen hat.
Statt mich bei einer depressiven Episode krankschreiben zu lassen, habe ich einen Deal mit meinem Arbeitgeber gemacht: Wenn ich gerade in einem Down war, habe ich das meine vorgesetzte Person wissen lassen. Sie hat dann nicht 100 Prozent Leistung von mir erwartet und so den Leistungsdruck reduziert.
Eigentlich eine Win-Win-Situation: Mein Arbeitgeber musste nicht komplett auf mich verzichten. Und mir hat es geholfen, wieder schneller auf die Beine zu kommen.
Tipps für Angehörige
Als angehörige Person kannst du eigentlich nichts falsch machen, solange du etwas machst. Diese drei Sachen finde ich besonders wichtig:
- Meld dich immer wieder bei der betroffenen Person und sei nicht überrascht, falls deine Hilfe nicht immer gut ankommt. Umso wichtiger ist es, dass du dich auch nach dieser Situation weiterhin meldest und einfach zeigst, dass du da bist.
- Es kann sein, dass du irgendwann einfach mega hässig auf die betroffene Person bist. Auch wenn du weisst, dass du eigentlich auf die Erkrankung und nicht auf die Person sauer bist. Gib dieser Emotion Raum und suche jemanden in deinem Umfeld, um darüber zu reden.
- Das Wichtigste überhaupt ist deine eigene Gesundheit. Darum respektiere deine eigenen Grenzen und schau, wie viel Energie du überhaupt hast, um zu helfen.