Cristina ist erst 31 Jahre alt, als sie die Diagnose erhält: Darmkrebs, Stadium IV, Metastasen in der Leber. Das war 2019, ihre Familie ist gerade gewachsen: Ihre Tochter Lea ist fünf Wochen alt, der Sohn Liam knapp zwei Jahre. «Die Welt bricht zusammen. Wir kommen vom Schönsten, der Geburt unseres Kindes, zu Darmkrebs im Stadium IV», erzählt Cristina Helbing im Westschweizer Fernsehen RTS.
Die junge Frau hatte seit einem Jahr Symptome – doch niemand vermutete dabei Krebs, da eine so schwerwiegende Diagnose bei jungen Patienten undenkbar war. Dies verzögerte auch die Behandlung.
Heute, fünf Jahre später, nach einer grossen Operation und einer langen Phase der Chemotherapie, befindet sich Cristina in der fünfjährigen Remissionsphase - es ist ein erster Sieg über die Krankheit. Doch sie ist nicht die Einzige, die diese unvorstellbare Diagnose erhalten hat. Seit einiger Zeit ist die Welt der Onkologie in Aufruhr. In den USA nimmt Darmkrebs bei jungen Menschen unter 50 Jahren seit den 1990er Jahren zu und auch in Europa tauchen ersten Warnsignale hierzu auf.
Laut Ärzten des Krankenhauses Gustave Roussy nahe Paris, dem führenden Krebsforschungszentrum in Europa, haben Darmkrebserkrankungen bei Menschen unter 50 Jahren zugenommen – eine Entwicklung, von der auch die Schweiz nicht verschont bleibt. «Diese Bevölkerungsgruppe ist für uns Ärzte neu und erfordert eine etwas andere Einschätzung», kommentiert Dr. Thibaud Koessler, leitender Arzt der Abteilung für Verdauungstumore am Universitätsspital Genf (HUG).
Die sozialen, beruflichen und familiären Auswirkungen einer Krebserkrankung sind mit 30 Jahren nicht die gleichen wie mit 80. «Sie haben andere Wünsche als Patienten über 80, weil sie noch eine Familie haben, sie wollen Kinder haben, sie sind mitten in ihrer beruflichen Karriere, sie haben im Alltag vielleicht auch Probleme mit ihrer Sexualität. Und deshalb haben wir versucht, uns wirklich mit diesen Aspekten auseinanderzusetzen», erklärt Dr. Hélène Gros, Assistenzärztin für Viszeralchirurgie am Claraspital Basel.
Die Wissenschaft auf der Suche nach Antworten
Marco Van Strauss und sein Team am Claraspital in Basel führen eine Studie durch, um diesen unerklärlichen Anstieg zu verstehen. «Die Entzündung, das Mikrobiom, könnte erklären, warum junge Patienten Krebs bekommen, aber es ist nicht gesichert», sagt Matthias Matter, Forscher am Universitätsinstitut für Pathologie in Basel. Die üblichen Risikofaktoren (Tabak, Alkohol und Bewegungsmangel), Umweltfaktoren (Umweltverschmutzung, Exposition gegenüber Pestiziden, Mikroplastik...) und Ernährung werden ebenfalls als Ursprung verdächtigt.
Diese Studien werden Zeit brauchen, 10 bis 20 Jahre, bis man versteht, wie sich ein solcher Tumor in so jungen Körpern entwickelt. Die genauen Ursachen für den Anstieg von Darmkrebs bei jungen Menschen bleiben also weiterhin ein Rätsel.