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Kantonale Abstimmungen Der Kanton Genf ist Abstimmungsmeister der Schweiz

In den letzten 24 Jahren hat die Stimmbevölkerung im Kanton Genf über mehr als zweihundert Vorlagen abgestimmt. Das ist Schweizer Rekord. Am wenigsten Abstimmungen gibt es im Wallis. Ein Experte erklärt das mit der unterschiedlichen Streitkultur.

Einmal geht es um die Rettung des Vivariums, dann um eine Brücke über den See oder um eine Steuer für die Wohlhabenden: Die Stimmbevölkerung des Kantons Genf stimmt über die unterschiedlichsten Themen ab. In den letzten 24 Jahren hat sie fünfmal über die Ladenöffnungszeiten abgestimmt.

Seit dem Jahr 2000 haben die Genfer und Genferinnen über 216 kantonale Vorlagen entscheiden müssen. Dies geht aus Daten hervor, die vom Zentrum für Demokratie in Aarau zusammengestellt wurden. Damit haben sie allein fast so viele Abstimmungen erlebt wie alle anderen Westschweizer Kantone zusammen. Am anderen Ende der Skala liegt der Kanton Wallis. Dort hat die Bevölkerung in über zwei Jahrzehnten nur über 32 Vorlagen abgestimmt.

Streitkultur als Grund

Die Genfer Zahlen sind mit denen einiger Deutschschweizer Kantone vergleichbar, darunter Zürich, Basel-Land, Basel-Stadt und Uri. Ist der Kanton deshalb ein Musterschüler in Sachen direkte Demokratie? Das ist nicht sicher.

Für den Politologen Pascal Sciarini ist die hohe Zahl der Abstimmungen in Genf «ein Zeichen für die hohe Konfliktbereitschaft im Kanton». Sie führe dazu, dass es schwierig sei, Kompromisse zu schmieden. «Der Grosse Rat ist nicht in der Lage, Lösungen zu finden, die eine ausreichend breite Unterstützung finden, damit sie nicht angefochten werden und es somit keine Volksabstimmung gibt», betont Sciarini.

Genf ist also nicht mit Zürich vergleichbar, dem drittplatzierten Kanton. «Aus historischen Gründen ist die direkte Demokratie in der Deutschschweiz stärker ausgeprägt», erklärt Sciarini. Ganz konkret: In Zürich müssen in sechs Monaten nur 6000 Unterschriften gesammelt werden, um eine Initiative zur Abstimmung zu bringen. In Genf braucht es mehr als 4000 in vier Monaten, obwohl der Kanton viermal weniger Wählerinnen und Wähler hat. Nach Ansicht Sciarinis ist die Vielzahl der Abstimmungen eher auf die «Unbeständigkeit der Koalitionen» als auf eine lebendige Demokratie zurückzuführen.

Beteiligung trotzdem hoch

Die Häufigkeit der Abstimmungen hält das Stimmvolk nicht davon ab, seine Meinung zu äussern. Gemäss den Staatskanzleien lag die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei kantonalen Abstimmungen in Genf bei 48 Prozent und damit nicht weit von den 50 Prozent entfernt, die die Walliser Behörden verzeichneten. Im Jura, wo die Bürgerinnen und Bürger kaum an die Urnen gerufen werden, liegt die Beteiligung unter 40 Prozent.

Die Wahlgänge scheinen also die Lust der Genfer Bevölkerung, ihre Meinung zu äussern, nicht zu schmälern. An diesem Sonntag, dem 24. November 2024, haben sie erneut die Gelegenheit dazu: Sie dürfen über drei kantonale Vorlagen entscheiden.

RTS Forum 20.11.24 18h;kobt

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