OpenAI und Anthropic eröffnen in der Schweiz Büros für KI-Forschung. Der Vizepräsident für Forschung von OpenAI, Mark Chen, lobt die Schweiz als «führendes europäisches Technologiezentrum.» Zürich sei ein «Top-Drehkreuz für Forschungstalente», heisst es auch bei Anthropic.
Doch die Schweiz ist nicht das einzige Land in Europa, das vom KI-Boom profitiert. Sowohl OpenAI als auch Anthropic haben bereits Büros an anderen europäischen Standorten, darunter London und Dublin.
Regulierung als Chance
Ein Punkt, an dem sich die Schweiz von den Standorten der Europäischen Union abheben könnte, ist die Regulierung der KI. Beim Bund werden derzeit Vorschläge dafür erarbeitet. In der EU gilt seit Anfang dieses Jahres ein neues KI-Gesetz.
Hans Gersbach, Co-Direktor der Konjunkturforschungsstelle KOF, stellte im September in einem Interview fest, dass die EU-Regulierung sehr umfassend sei und «sehr hohe Anforderungen an die Unternehmen stellt». Und fügte hinzu: «Wenn es der Schweiz gelingt, eine intelligentere, rechtlich fundiertere und etwas schlankere Regulierung als die EU zu schaffen, ergeben sich für uns im Technologiesektor grosse Chancen. Die Schweiz hat das Potenzial, sich zu einem globalen KI-Hub zu entwickeln.»
Vergangene Fehler
Die Ankunft von Schwergewichten aus den USA hat der heimischen KI-Industrie Auftrieb gegeben. «Die Verbindung mit dem US-KI-Ökosystem ist sehr stark. Es entwickelt sich zu einer symbiotischen Beziehung», sagt Alexander Brunner, ein Unternehmensberater, der derzeit ein Buch über den Schweizer KI-Markt schreibt.
Marcel Salathé, Co-Direktor des Zentrums für Künstliche Intelligenz an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), spricht von einer «einmaligen Gelegenheit für uns». Er weist darauf hin, dass die Schweiz die Chance verpasst habe, eine weltweit führende Industrie aufzubauen, als 1989 am Forschungszentrum CERN in Genf das World Wide Web erfunden wurde. «Wir müssen sicherstellen, dass sich das nicht wiederholt», sagte er.
Defizit bei Finanzierung
Um ihr Potenzial voll auszuschöpfen, brauchen Schweizer Start-ups mehr Risikokapital und die Zusammenarbeit mit etablierten Branchen. Sektoren wie das Gesundheitswesen, die Robotik und das Finanzwesen müssen die KI-Technologie einbeziehen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.
Bislang sind die Investitionen in Schweizer KI-Start-ups im Vergleich zu anderen Ländern vernachlässigbar, wie ein Bericht der Mediengruppe Startupticker vom Dezember 2023 zeigt. «Obwohl die Zahl der KI-Start-ups generell beeindruckend ist, steht die Schweiz bei den Investitionen deutlich schlechter da», heisst es darin.
Alexander Brunner fordert von den etablierten multinationalen Schweizer Unternehmen, mehr KI-Innovationen aus der Schweiz zu übernehmen, statt sich an die US-Giganten zu wenden. «Es geht darum, eine ganze KI-Wertschöpfungskette aufzubauen, von der Bildung über die Infrastruktur bis hin zum Einkauf bei lokalen KI-Unternehmen», schrieb er kürzlich in einem Post auf der Online-Plattform Substack.