Seit März 2022 ist der Export von Luxusgütern wie Uhren nach Russland verboten. Damit reagierte der Bundesrat auf den Angriff Russlands auf die Ukraine. Doch noch immer werden Schweizer Uhren nach Russland verkauft. Sie werden lediglich auf neuen Wegen transportiert.
«Die Schweizer Marken haben schnell gemerkt, dass die Nachfrage in Russland stark bleibt. Also nutzen sie Re-Export-Plattformen. Das Geschäft läuft weiter. Nicht mehr in offiziellen Netzwerken, sondern in inoffiziellen», erklärt der Uhrenjournalist Grégory Pons.
«Meisterin» im Umgehen von Sanktionen
Das Herzstück dieser Netze ist die Türkei. Im zweiten Quartal 2023 lagen die Uhrenausfuhren aus der Schweiz in dieses Land um 50 Prozent über dem höchsten Wert, der vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine verzeichnet wurde. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil davon über Zwischenhändler nach Russland re-exportiert wird. Das ist möglich, weil die Türkei keine Sanktionen gegen Russland verhängt hat.
«Mit jedem Paket von Sanktionen erleben wir eine Zunahme der russisch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen», sagt Dorothée Schmid, Leiterin des Programms Zeitgenössische Türkei und Naher Osten am französischen Institut für internationale Beziehungen. «Die Türkei nutzt die Beschränkungen, die ihre Konkurrenten betreffen, um ihren eigenen Handel mit Russland auszubauen. Und sie eignet sich auch als Drehscheibe für die Umgehung von Sanktionen. Da die Türkei seit vielen Jahren von sanktionierten Ländern (Irak, Iran, Syrien) umgeben ist, hat sie sich in diesem Bereich zu einer Meisterin entwickelt.»
Wie reagieren die Marken?
Auf Nachfrage bestreitet die Swatch Group (Breguet, Omega, Tissot usw.) nicht, dass ihre Uhren über die Türkei nach Russland gelangen könnten. «Es kann sein, dass einige unserer Produkte [in Russland] noch bei bestimmten Einzelhändlern ausserhalb der Gruppe erhältlich sind, die Bestände aus der Zeit vor dem Konflikt verkaufen», antwortet Swatch. «Es ist auch denkbar, aber nicht unter unserer Kontrolle, dass Einzelhändler einen parallelen Importmarkt aufgebaut haben.»
Das Gleiche gilt für Rolex: «Alle Verkäufe von Rolex-Uhren, die derzeit in diesem Land [Anm. d. Red.: Russland] stattfinden, werden von lokalen unabhängigen und privaten Einzelhändlern getätigt, die Uhren aus ihren eigenen Beständen verkaufen.»
Von Breitling, Patek Philippe, Piaget, Zenith und Hublot liegen keine Äusserungen vor. Keine der Marken äusserte sich zu etwaigen Massnahmen, die ergriffen wurden, um die Wiederausfuhr ihrer Produkte nach Russland zu verhindern.
Für Yves Bugmann, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie, wenden die Schweizer Marken die Sanktionen gewissenhaft an. Was den türkischen Markt betrifft, «gibt es bisher keine Anzeichen, die es uns erlauben würden, eine besondere Entwicklung zu erkennen, die eine Umgehung der Sanktionen nahelegen würde», sagte er im Westschweizer Radio RTS.
Haben die Schweizer Behörden, die für die Durchsetzung der Sanktionen zuständig sind, versucht, mehr über diesen Anstieg der Exporte herauszufinden? Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erklärt, dass es systematisch gegen Verstösse gegen die Sanktionen vorgeht. Um mögliche Verstösse zu erkennen, analysiere es «ständig» die Handelsströme, «um Risikofaktoren für die Umgehung von Warensanktionen zu ermitteln».