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Mandatssteuer in Justiz Richter bezahlen bis zu 3 Millionen Franken an ihre Parteien

Richter und Richterinnen in Bund und Kantonen finanzieren die politischen Parteien mit fast 3 Millionen Franken. Dieses System ist undurchsichtig und beruht auf keiner gesetzlichen Regelung. Es wird von den Richtern selbst stark kritisiert.

Es ist ein althergebrachtes Ritual, das es nur in der Schweizer Justiz gibt: Richter und Richterinnen in Bund und Kantonen müssen, von einigen Ausnahmen abgesehen, sogenannte Mandatssteuern an ihre Partei zahlen. Die überwiegende Mehrheit der Richter und Richterinnen sind Mitglied einer Partei. Die eidgenössischen und kantonalen Parlamente bestimmen sie nach einem Verteilungsschlüssel, der das politische Gewicht der Parteien widerspiegelt.

Die genaue Höhe dieser Steuern ist vor allem in den Kantonen alles andere als transparent. Das Westschweizer Fernsehen RTS hat eine Umfrage unter allen lokalen Sektionen der wichtigsten politischen Parteien in den sieben französischsprachigen Kantonen durchgeführt, einschliesslich des Kantons Bern. Demnach überweisen die Richterinnen und Richter insgesamt zwischen 500'000 und 660'000 Franken an die verschiedenen Parteien.

Bund schafft Transparenz

Zahlen für die 19 Deutschschweizer Kantone und das Tessin hat RTS nicht erhoben. Es hat aber die Zahlen aus der Westschweiz hochgerechnet und ist dadurch auf einen Betrag zwischen 1.3 und 1.8 Millionen Franken gekommen. Der Gesamtbetrag für die kantonalen Gerichte liegt also zwischen 1.8 und 2.46 Millionen Franken.

Detail am Gebäude des Bundesgerichts in Lausanne
Legende: Jean-Christophe Bott/Keystone

Hinzu kommen die Beiträge der 135 Bundesrichterinnen und -richter. Die Zahlen sind hier viel genauer, denn seit diesem Jahr müssen sie die politischen Parteien angeben aufgrund neuer Bestimmungen zur Transparenz der politischen Finanzierung. Demnach haben die Parteien von ihren Mitgliedern in Bundesgerichten insgesamt 681'600 Franken erhalten. An der Spitze liegt die SVP mit 186'000 Franken, gefolgt von der SP mit 177'000 Franken.

Die Gesamtsumme der Mandatssteuern, die vom Personal an Bundes- und Kantonsgerichten an ihre politischen Parteien gezahlt werden, liegt somit zwischen 2'481'000 und 3'141'000 Franken.

Richter kritisieren das System

Die meisten von RTS befragten Richter und Richterinnen kritisieren dieses Besteuerungssystem scharf. «Die Richter sind wirklich unabhängig», sagt Yves Donzallaz, Präsident des Schweizerischen Bundesgerichts. Aber für ihr Image seien diese Beitragszahlungen «extrem negativ».

Auch der ehemalige Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich, Martin Burger, äussert sich kritisch: «Ich sage etwas, das vielleicht nicht gerne gehört wird. Die Parteisteuer hat auch die Funktion eines Schutzgeldes. Im Mafia-Jargon nennt man das ‹Pizzo›. Wer die Parteisteuer bezahlt, wird von der Partei bei Wahlen weiterhin unterstützt und in der Regel wiedergewählt. Wer sie nicht bezahlt, da weiss man nicht genau, was passiert.»

Eine Umfrage unter den 1300 Mitgliedern der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richter (ASM) hat kürzlich gezeigt, dass 83 Prozent die Abschaffung der Steuer fordern. Auf internationaler Ebene kritisierte die Expertengruppe des Europarats gegen Korruption (Greco) dieses Steuersystem. Ihrer Meinung nach stellt es ein echtes Korruptionsrisiko dar.

Der SVP-Nationalrat und Jurist Manfred Bühler bezeichnet dagegen die Einschätzungen der Greco als «grotesk». Er findet, «dass es eine legitime Form der Anerkennung ist, wenn Richter jährlich der Partei, die sie unterstützt hat, einen Beitrag leisten».

RTS, Temps présent, 21.11.2024, 20:10 Uhr

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