Die SVP-Schelte für Bundesrichter Yves Donzallaz ist beispielhaft für das Spannungsfeld, in dem sich ein Bundesrichter befindet. Zum einen muss er sein Amt «unparteilich» und «ohne Voreingenommenheit im Hinblick auf politische Interessen oder Beziehungen» ausüben, so steht es in den Standesregeln des Bundesgerichts. Zum anderen droht im Fall von Donzallaz die eigene Partei mit der Abwahl, weil nicht auf Parteilinie entschieden wurde.
Justizinitiative will Richter per Los wählen
Wie Bundesrichter gewählt werden sollen, wird auch von der sogenannten Justizinitiative thematisiert. Sie will, dass Richter nicht mehr über die Parteizugehörigkeit, sondern über ein Losverfahren gewählt werden. Hauptinitiant ist der Unternehmer Adrian Gasser. «Der Fall des SVP-Richters bestätigt die Richtigkeit unserer Initiative. Was auffällt ist, dass die politischen Parteien Druck via Wiederwahl ausüben», sagt Gasser, der nach eigenen Angaben genug Unterschriften gesammelt hat und die Justizinitiative bald einreichen will.
Nach der Ansicht von Gasser muss das System geändert werden, damit auch fähige Juristen ohne Parteibuch Bundesrichter werden können. Diese haben es auch in den Kantonen schwer, dort werden ebenfalls vor allem Parteimitglieder in die jeweiligen Gerichte gewählt.
«Apolitische Richter sind eine Illusion»
Die aktuelle Diskussion zeigt vor allem, dass sich nicht jeder das gleiche Bild eines Richters macht. Die einen finden, dass Richter vollständig unabhängig sein können. Andere wiederum halten das für eine Illusion.
Zur zweiten Gruppe gehört der Jurist und Historiker Lorenz Langer, der an der Universität Zürich und am Zentrum für Demokratie in Aarau lehrt. Er sagt: «Das Bild des apolitischen Richters ist nicht realistisch. Es wird immer weniger realistisch, weil die Gerichte immer mehr mit Fragen konfrontiert werden, die früher als politisch gegolten haben.»
Bei Fragen wie zum Beispiel zum Verhältnis zu Landes- und Völkerrecht, bei Fragen zur Zuwanderung und weiteren heiklen Gebieten fällt das Bundesgericht stets Urteile von grosser politischer Tragweite. Deshalb sei es besser, wenn die politischen Überzeugungen der Richter offengelegt würden, sagt Langer: «Alle Magistraten haben einen persönlichen Hintergrund, persönliche Prägungen und politische Überzeugungen. Es kann sinnvoll sein, wenn diese Überzeugungen offen deklariert werden.»
Die Diskussion steht vor der Tür
Dann könne man überprüfen, ob jemand primär juristisch oder politisch argumentiere. «Man darf sich allerdings keine Illusionen machen, man kann politische Entscheide auch juristisch formulieren», sagt Langer.
Zur Abwahl eines Bundesrichters aus politischen Motiven oder weil die Parteilinie nicht befolgt wurde, kam es bislang nicht. Unabhängig vom aktuellen Streit um den SVP-Bundesrichter steht in der Schweizer Politik aber eine Debatte zum Bundesgericht an, dafür wird die Justizinitiative ohnehin sorgen.