Hand aufs Herz: In der Schule war Französisch für viele ein Graus. Umgekehrt gilt dies auch für den Deutschunterricht in der Westschweiz. Und nach dem Schulabschluss ist es meist so, dass die «andere» Sprache nicht mehr aktiv gesprochen wird. Dabei kann sie bei der Arbeitssuche ein Vorteil sein.
Das Westschweizer Fernsehen RTS hat die Berufs- und Ausbildungsmesse in Lausanne besucht, um Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren zu ihrem Verhältnis zur deutschen Sprache zu befragen. Ihr Urteil: Die Sprache steht oft im Schatten des Englischen, das als «nützlicher Türöffner» angesehen wird.
In Branchen wie beispielsweise dem Gesundheitswesen oder der Gastronomie ist die deutsche Sprache jedoch dominierend. Dies gilt auch für die Destillerie Morand mit Sitz in Martigny (VS). Das Familienunternehmen verkauft Sirupe und Schnäpse. In der Marketingabteilung betreut Gaëlle Huber die Bestellungen auf Deutsch und Französisch. «Wir haben Deutschschweizer Kunden und eine Vertriebspartnerin in Deutschland, also sprechen wir im Alltag auch Deutsch.»
Für ihren Chef, Fabrice Haenni, ist Hubers Zweisprachigkeit ein Glücksfall, denn die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber mit dieser Eigenschaft ist begrenzt.
Schwierige Suche nach Zweisprachigen
Von den rund 50 Mitarbeitenden der Destillerie sprechen etwa zehn Deutsch. Das Potenzial des deutschsprachigen Marktes sei gross, sagt Haenni.
Bei Personaldienstleistern wie beispielsweise Adecco in Genf ist die Lage ähnlich: Zweisprachige Personen zu finden, sei manchmal ein schwieriges Unterfangen. «Sie sind so selten, dass wir ständig versuchen, einen Bestand an verfügbaren Profilen aufzubauen. Multinationale Konzerne und Unternehmen, die in mehreren Regionen der Schweiz tätig sind, haben eine starke Nachfrage nach ihnen», erklärt Sébastien Katz, Regionalleiter der Agentur.
Mehrsprachigkeit öffnet also auf dem Arbeitsmarkt Türen: In mehr als einem Drittel der Stellenanzeigen in der Schweiz werden zwei oder mehr Sprachen verlangt. Das kann sich auch auf den Lohn auswirken.
Höherer Lohn dank zwei Sprachen
An der Universität Genf hat François Grin den Wert der Mehrsprachigkeit auf dem Arbeitsmarkt untersucht. «Zweisprachige Personen verdienen tendenziell mehr. Die Einkommensunterschiede bewegen sich zwischen 10 und 20 Prozent.» In der Romandie lägen die Deutschkenntnisse jedoch sehr oft unter dem, was Arbeitgebende verlangen. «Deshalb ist Zweisprachigkeit ein echter Vorteil auf dem Arbeitsmarkt», sagt Grin.
Für Sprachschulen sind solche Sprachlücken ein grosses Geschäft. In der «Swiss Language Group» werden Französisch, Englisch und Deutsch unterrichtet. Olivier Quesnot ist einer der Schüler. Vor einem Jahr sprach der Angestellte eines multinationalen Unternehmens kein Wort Deutsch. «Ich habe schnell gemerkt, dass es aus beruflicher Sicht schnell Türen schliessen kann, wenn man kein Deutsch spricht», erzählt er.
Mit der neuen Sprache bekam er eine Stelle mit höherem Lohn im selben Unternehmen. In der «Swiss Language Group»-Schule ist der Umsatzanteil des Deutschunterrichts von 15 Prozent im Jahr 2017 auf heute 30 Prozent gestiegen.