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Nachhaltiger Fischfang Meeresschutz und Menschenrechte: MSC in der Kritik

Umweltverbände kritisieren das MSC-Label. Die Zertifizierungskriterien seien zu lasch, selbst bei problematischen Fangtechniken.

Es ist überall zu finden: in den Läden, im Tiefkühlregal oder an den Konservendosen. 57 Prozent des Wildfischs, der in den Schweizer Läden verkauft wird, trägt das Siegel für nachhaltige Fischerei, Marine Stewardship Council (MSC), welches 1997 von Unilever und WWF ins Leben gerufen wurde.

Doch das Label garantiere keine nachhaltige Fischerei, meint Didier Gascuel, Forscher und Dozent für Meeresökologie am Institut Agro, gegenüber dem Westschweizer Sender RTS. «Das MSC-Label reicht nicht aus. Im Grunde garantiert es zwar, dass der Fisch nicht aus einer überfischten Population stammt und sich der Fischer an die geltenden Vorschriften hält.»

Aber besonders die fehlende Kennzeichnung der Fangtechniken ist für den Dozenten besonders problematisch: «Wenn der Verbraucher ein Label sieht, will er ein Produkt, das besser ist als die Norm. Man sollte es also auch nur auf bestimmte Fangtechniken beschränken. Ein Grundschleppnetz hat beispielsweise viel Einfluss auf die Umwelt. Es wühlt den Meeresboden auf und fängt alles auf, was ihm in den Weg kommt. Viele Jungfische und Fische, die man gar nicht benötigt, werden mitgefangen. Ausserdem reduzieren solche Schleppnetze die Produktivität der Ozeane erheblich.»

Gefährliche Vorrichtungen

Auch die Bloom Association, eine NGO zur Rettung der Weltmeere, stört sich an dem Label. Besonders im Thunfischfang ist dieses verbreitet. Die Tiere werden mit einem Ringwadennetz zu Fischsammelvorrichtungen getrieben. Und diese Vorrichtungen galten lange als nicht nachhaltig, gar als Problem Nummer eins für den weltweiten Thunfischfang – mittlerweile sind sie jedoch ebenfalls zertifizierbar, was die NGO kritisiert. Gemäss Frédéric Le Manach, dem wissenschaftlichen Leiter der Bloom Association, macht die Fischerei mit Fischsammelvorrichtungen mehr als 50 Prozent der MSC-zertifizierten Thunfischfänge aus.

Hat sich MSC also den Bedingungen der Industrie unterworfen, um ein grösseres Fangvolumen zertifizieren zu können? Edouard le Bard, Direktor des MSC für Südeuropa, Afrika und den Nahen Osten, wehrt sich gegen diesen Vorwurf: «Unser Standard hat die Arbeit mit Fischsammelvorrichtungen nie ausgeschlossen. Die Fischereien, die dies taten, haben sich einfach nie um eine Zertifizierung beworben. Ich will nicht sagen, dass diese Art der Fischerei keine Auswirkungen hat, jede Fischerei hat Auswirkungen. Aber in dem Moment, in dem wir es kontrolliert machen und das Ökosystem oder die Beifangart nicht gefährdet werden, kann die Fischerei zertifiziert werden.»

Die Philosophie bei MSC ist folglich ein Wandel von innen heraus. Wenn eine Fischerei am MSC-Programm teilnimmt, soll sie durch die Anreize des Labels dazu gebracht werden, ihre Praktiken zu verbessern. Eine Haltung, die beim Meeresschutz weitgehend kritisiert wird. Die Wissenschaftlerin Iris Ziegler, Leiterin der Initiative «Make Stewardship Count», kritisiert dieses Vorgehen: «Das MSC-Siegel ist kein Garant mehr für Nachhaltigkeit. Im Gegenteil, wir sehen, dass Fischereien mit dem Label keine Fortschritte bei besseren Fangbedingungen machen, weil MSC dies auch nicht fordert.»

Was ist mit den Menschenrechten?

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Auch das Einhalten der Menschenrechte bei MSC-zertifizierten Fischereien wird kritisiert. So gab es 2024 Fälle von Zwangsarbeit auf US-amerikanischen Schiffen und 2023 in chinesischen Verarbeitungsbetrieben von Meeresfrüchten. Alle waren mit dem MSC-Label ausgezeichnet.

Edouart Le Bart sagt dazu, dass man sich bei MSC dem Thema annehmen will: «Das Problem ist, dass unsere Expertise auf dem Umweltaspekt liegt. Wir denken daher darüber nach, uns in Zukunft mit anderen Organisationen zusammenzuschliessen, deren Fachgebiet und Beruf die Menschenrechte sind, um in unserem kleinen Rahmen dazu beizutragen, die sozialen Probleme im Fischereisektor zu bekämpfen.»

RTS A bon entendeur, 25.3.2025, 20:15 Uhr

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