Schachbegeisterte erinnern sich an seine kompromisslosen Duelle auf dem Brett. Garri Kasparow war 15 Jahre in Folge russischer Schachweltmeister, von 1985 bis 2000.
In den 2000er-Jahren begann er sich für die Demokratie und gegen Wladimir Putin einzusetzen. Mehrfach von den russischen Behörden festgenommen, kämpfte er fast zwei Jahrzehnte lang weiter, gemeinsam mit anderen Oppositionsfiguren wie Alexej Nawalny.
Seit 2013 lebt er im Exil und wird vom Kreml als «Terrorist» betrachtet.
«Wladimir Putin ist ein grosser Lügner»
Gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS äusserte sich Kasparow mit Bestürzung über die Friedensverhandlungen zwischen den USA und Russland. «Man spricht davon, mit den Amerikanern über Frieden zu verhandeln, aber sie sind nicht Teil des Krieges. Der Krieg findet in der Ukraine statt.»
Für Kasparow ist dies eine Strategie des Kremls. «Wladimir Putin ist ein grosser Lügner», betont er. «Wenn er von Frieden spricht, sollte man das immer im Hinterkopf behalten.»
Wenn die Ukraine fällt, kommen die Nato-Staaten dran, und dann müssen europäische Soldaten an die Front.
Um Moskaus Absichten zu verstehen, müsse man die Lage in Russland selbst betrachten: «Russland ist eine Kriegswirtschaft, durchdrungen von Ideologie, die schon im Kindergarten die Kriegstreiberei propagiert. Putin will keinen Frieden», sagt Kasparow. «Er will nur eine temporäre Waffenruhe, um sich auf neue Angriffe vorzubereiten.»
«Trump hält die Europäer für Verlierer»
In den Augen von Kasparow bleibt Europa keine andere Wahl, als eine grosse Verteidigungsarmee aufzubauen – allein schon, um bei Friedensverhandlungen Gewicht zu haben.
Das RTS-Interview mit Garri Kasparow (dt. Untertitel)
Denn für die neue US-Regierung unter Donald Trump gebe es nur zwei Kategorien: Gewinner und Verlierer. «Und da Trump die Europäer für Verlierer hält, glaubt er, dass sie keinen Platz am Verhandlungstisch verdient haben. Um respektiert zu werden, muss man Stärke zeigen – und das bedeutet, eine Armee aufzubauen.»
Das Regime muss eine Niederlage erleiden, um das Denken der Bevölkerung zu ändern – und damit auch die Machthaber.
Kasparow sieht die Ukraine als letzte Schutzmauer zwischen Russland und der Nato. «Wenn die Ukraine fällt, wird Putin weitergehen. Dann kommen die Nato-Staaten dran, und dann müssen europäische Soldaten an die Front.»
Wiederherstellung des russischen Imperiums?
Warum ist Garri Kasparow von diesem Szenario überzeugt? «Man muss nur Putin oder seinen Aussenminister oder die russische Propaganda anhören. Sie wollen sich keineswegs mit der Ukraine zufriedengeben», sagt er. «Ihr Plan ist die Wiederherstellung des russischen Imperiums. Sie sagen es selbst und wir sollten ihnen glauben.»
Um die russische Expansionspolitik zu stoppen, ist Kasparow eindeutig: «Wladimir Putin muss verlieren. Er führt eine faschistische Diktatur, die Millionen von Russen einer Gehirnwäsche unterzieht.» Er hofft, dass eine Niederlage den Lauf der Dinge ändern könnte. «Schauen wir auf die russische Geschichte: Das Regime muss eine Niederlage erleiden, um das Denken der Bevölkerung zu ändern – und damit auch die Machthaber.»