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Romandie Amok-Notfallpläne an Westschweizer Schulen stossen auf Kritik

Mehrere Westschweizer Kantone haben kürzlich ihre Notfallpläne überarbeitet, um auf einen gewalttätigen Angriff in einer Schule zu reagieren. Die Anweisung, sich im äussersten Fall zu verteidigen, löst Reaktionen aus.

Wie sollte man sich im Falle eines Angriffs an einer Schule verhalten? Diese Frage ist gerade wieder aktuell, nach den Schüssen an einer Schule in Schweden.

Nun haben einige Kantone in der Romandie wie etwa Freiburg ihre entsprechenden Richtlinien überarbeitet, berichtet das Westschweizer Fernsehen RTS. In diesem «AMOK»-Plan wird den Lehrpersonen und Jugendlichen empfohlen, wenn möglich zu fliehen, sich andernfalls zu verbarrikadieren, Hilfe zu rufen und als letztes Mittel Widerstand zu leisten. Besonders diese letzte Anweisung sorgt für Kritik.

Nach einer Informationsveranstaltung der Kantonspolizei Freiburg am Collège du Sud in Bulle letzte Woche reagierten mehrere Lehrkräfte mit einer Mischung aus Besorgnis und Erleichterung angesichts der neuen Anweisungen. 

«Wir wissen, dass so etwas potenziell möglich ist, aber es wird realer, wenn man die Bilder sieht. Also ja, ich bin erschüttert. Ich bin zwar nicht ängstlich, aber auch nicht wirklich ruhig», sagt eine Lehrerin. 

«Wir sind keine Cowboys»

David Rey, Präsident der Westschweizer Lehrergewerkschaft SER, ist skeptisch in Bezug auf diese neue Empfehlung, die nun auf dem Lehrpersonal lastet.

Darstellung eines Angreifers und Schulkinder, die bereit sind, sich zu verteidigen.
Legende: Nicht nur Lehrpersonen sind verunsichert wegen der neuen Richtlinien. Auch Eltern kritisieren sie. Police de Sherbrooke, Canada

«Wir sind keine Polizisten, wir sind keine Cowboys, wir sind keine Personen, die bereit sind zu kämpfen. Unsere Ausbildung geht in eine andere Richtung, mit der Motivation zu beschützen», erklärt er. «Der Plan wirft viele Fragen auf, insbesondere in Bezug auf die Verantwortung der Lehrpersonen, wenn sie plötzlich nicht gemäss den Richtlinien handeln würden, oder einfach menschlich reagieren und sich lieber in Sicherheit bringen.»

Schüler ab 12 Jahren werden informiert

Je nach Kanton werden die Schüler ab einem Alter von 12 Jahren in diesen Massnahmen geschult. Auch dieses Alter stösst auf Kritik.

«Es ist zwar gut, dass sie die Information haben, denn Angriffe können passieren. Aber um sich zu verteidigen, muss man doch das Alter berücksichtigen. Ich denke nicht, dass man sich mit 12 Jahren gegen einen bewaffneten Erwachsenen verteidigen kann», findet Isabelle Colliard, Präsidentin des Verbands der Freiburger Elternvereinigungen. 

Anweisungen variieren je nach Kanton

Bis heute haben Genf, das Wallis und Freiburg diese neuen Richtlinien angenommen, einschliesslich der Möglichkeit zu fliehen oder Widerstand zu leisten. Im Gegensatz dazu beschränken sich Waadt, Neuenburg und der Jura auf die Anweisungen, sich zu verbarrikadieren und Hilfe zu rufen.

Auch diese unterschiedliche Vorgehensweise stösst bei David Rey auf wenig Verständnis: «Man könnte eine Art Harmonisierung erwarten und so vermeiden, dass man in einer Schule aufgefordert wird zu fliehen und in einer anderen, sich in Sicherheit zu bringen, nur weil sie ein paar Dutzend Kilometer voneinander entfernt sind. Das ergibt nicht viel Sinn.» 

Ein Mann mit Brille steht vor einem Regal mit Magazinen.
Legende: David Rey kritisiert, dass die Kantone unterschiedliche Notfallpläne haben. RTS

Über die offiziellen Richtlinien hinaus sind sich Polizei und Lehrkräfte in einem Punkt einig: Es ist unmöglich, mit Sicherheit vorherzusagen, wie jede oder jeder Einzelne auf einen Angriff reagieren würde. Ein Fakt, der die Umsetzung dieser Anweisungen noch komplexer macht.

 

SRF 4 News, 04.02.2025, 15 Uhr;stal

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