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Serie über Schweizer Tourismus Wie viel historische Wahrheit steckt in «Winter Palace»?

Die historische Serie «Winter Palace» erzählt von der Entstehung der Luxushotellerie in der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Doch wie realistisch ist die Geschichte? Die Historikerin Evelyne Lüthi-Graf und der Regisseur Pierre Monnard nehmen Stellung.

Die Serie «Winter Palace» wurde vom Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) in Zusammenarbeit mit der Streamingplattform Netflix produziert. Sie folgt den Erlebnissen von André Morel und seiner Frau Rose. Die beiden beschliessen Anfang des 20. Jahrhunderts, einen Palast im Herzen der Walliser Berge zu eröffnen. Es war die Geburtsstunde der Luxushotellerie und des Wintertourismus in der Schweiz. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs war das ein wichtiger Wirtschaftszweig des Landes.

Obwohl das Hotel, die meisten Figuren und sogar der Name des Walliser Dorfes in der Serie fiktiv sind, haben die Schöpfer von «Winter Palace» ihre Geschichte mit grosser historischer Genauigkeit umgesetzt. César Ritz (1850-1918), ein berühmter Schweizer Unternehmer und Vorreiter auf dem Markt der Luxushotels, war die wichtigste Inspirationsquelle für die Figur von André Morel.

Was die Figur der Rose betrifft, die sich als gefürchtete Geschäftsfrau entpuppt, so ist sie weit weniger überzeichnet, als es den Anschein hat. Die Archive zeigen, dass in dieser Zeit viele Frauen aus verschiedenen Gründen die Leitung eines Hotels übernehmen mussten.

Zu 95 Prozent realistisch

Um die historische Authentizität der Serie zu gewährleisten, wandte sich die Produktion an Evelyne Lüthi-Graf. Die ehemalige Direktorin des Schweizer Hotelarchivs sagt gegenüber RTS: «Die Serie spiegelt zu 95 Prozent eine Realität wider, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem Hotel in der Schweiz stattgefunden hat.» Und fügt hinzu, dass viele Anekdoten in der Serie auf wahren Begebenheiten beruhen, wie zum Beispiel das Angebot eines kostenlosen Aufenthalts bei Unzufriedenheit.

«Der Vorteil von Hotelarchiven ist, dass es sehr viele Bilder gibt», erklärt Lüthi-Graf weiter. «Winter Palace» hat sich von über 10'000 Aufnahmen inspirieren lassen, und fast alle Kulissen haben eine reale Inspiration. So mag der Eingang des Hotels mit den riesigen ausgestopften Tieren zwar ein wenig zu grandios erscheinen, um wahr zu sein, ist aber laut der Historikerin absolut glaubwürdig.

Die Serie wurde grösstenteils im Binntal VS gedreht und zeigt einen fiktiven «Palace», der das Ergebnis ist aus einer Mischung aus dem Hotel Righi in Glion VD, dem Caux Palace oberhalb von Montreux und dem Château Mercier in Sierre. Und was die Fassade betrifft, so ist sie zwar digital erschaffen worden, aber man erkennt dennoch das Simplon-Hospiz.

Bewusste Anachronismen

Auch wenn die historische Authentizität wichtig war, war es nicht das Ziel der Serie, eine Dokumentation über die Schweizer Hotellerie zu sein. «Wir haben uns einige Anachronismen erlaubt, sei es bei den Kulissen, den Kostümen, der Sprache oder sogar dem Spiel der Schauspieler», erklärt Regisseur Pierre Monnard.

Und die berühmte Szene mit dem Fondue, das die Gäste des Palastes aus einem riesigen Kessel essen: anachronistisch, oder nicht? «Ich war sehr glücklich, dass das Fondue seinen Platz in unserer Geschichte gefunden hat», sagt Monnard und lächelt dabei. «Aber es stimmt, es ist etwas anachronistisch, Fondue in einem solchen Caquelon inmitten eines so prunkvollen Ballsaals zu servieren... Doch genau darin liegt die Würze dieser Szene.»

RTS Découverte, 9.1.25, 22.45h

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