Im Misox und im Maggiatal ist nach den Wolkenbrüchen vom Juni die unmittelbare Notlage überwunden. Noch unbeantwortet ist die Frage, was genau die Ursache der grossen Erdrutsche war.
«Es sind nicht die sehr starken, aber kurz anhaltenden Regenfälle vom Juni, die diese Erdrutsche ausgelöst haben», sagt der Tessiner Geologe Andrea Pedrazzini, Mitglied der kantonalen Naturgefahrenkommission. «Sie waren vielmehr eine Folge der lang anhaltenden Niederschläge und der Schneeschmelze im Frühjahr, insbesondere nach dem Winter mit einer dicken Schneedecke.»
In diesem Frühjahr hatte es in hohen Lagen noch viel Schnee, und dann kamen noch starke und lang anhaltende Niederschläge hinzu. Pedrazzini und sein Team hatten deshalb schon lange vor den Katastrophen im Juni in den von Erdrutschen gefährdeten Gebieten einen leichten Anstieg der Verschiebungsgeschwindigkeiten festgestellt.
So zum Beispiel in der Erdrutschzone von Cerentino im Rovanatal, die laufend überwacht wird. Im Zeitraum von März bis Mai wurden an der Felswand Verschiebungen von 5 Zentimetern pro Jahr gemessen, «während in Jahren mit weniger Schnee und Niederschlägen die Verschiebungen in der Regel unter 2 Zentimetern liegen», wie Pedrazzini erklärt. In diesem Gebiet, in dem es im Jahr 2022 zu einem Erdrutsch gekommen war, soll ein Entwässerungstunnel gebaut werden, damit die Bewegung stabilisiert wird.
Bewegung stabilisiert
Auch im Gebiet Lavionone im Sottoceneri sind die Verschiebungen in diesem Frühjahr «von einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 2.5 Zentimetern pro Jahr auf 4.5 Zentimeter gestiegen. Derzeit sind die Verschiebungsraten jedoch wieder auf dem Niveau des letzten Jahres», sagt Pedrazzini.
Ein anderes Erdrutschgebiet in Cimalmotto im Val di Campo ist bereits mit einem Entwässerungstunnel stabilisiert worden. Hier beobachteten Pedrazzini und seine Leute einen «frontalen Erdrutsch, der im Vergleich zur Grösse der Erdrutschzone bescheiden ist, aber die grösseren Sättigungsbedingungen des Bodens in diesem Zeitraum widerspiegelt».
In der Leventina verzeichnete laut dem Geologen die Erdrutschzone des Sasso Rosso in Airolo an einigen Messpunkten ebenfalls eine leichte Reaktion, «aber wir sprechen hier von Millimeterverschiebungen». Weiter südlich zeigte das Erdrutschgebiet von Preonzo im späten Frühjahr kleine Beschleunigungen, «die sich aber sofort wieder zurückzogen».