«Zuerst dachte ich, das sei Spam», sagt eine Swisspass-Kundin am Telefon. Ein anderer fragt per Mail: «Ist das echt? Irgendwie bin ich da misstrauisch.» Beide haben sie – wie 100'000 andere ÖV-Kunden – von der SBB eine E-Mail erhalten mit der Mitteilung, das SwissID-Login auf swisspass.ch werde Ende März deaktiviert.
Beim SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» haben sich noch weitere verunsicherte Hörerinnen und Hörer gemeldet. Man fragt sich: Kann es tatsächlich sein, dass nach nur rund zwei Jahren schon wieder Schluss ist mit der Partnerschaft von SwissID und SBB?
Zu teuer für die SBB
Der Swisspass ist mutmasslich die meistgenutzte und am weitesten verbreitete Kundenkarten der Schweiz. Entsprechend stolz war man bei der Swisssign Group, die für die digitale Identität SwissID verantwortlich ist, als man im Sommer 2019 die SBB als Partnerin gewinnen konnte: Damit werde die SwissID «der Schlüssel zu Mobilität und Freizeit», hiess es in einer Medienmitteilung – sie werde im Alltag vieler eine wichtige Rolle spielen.
Man hat gemerkt, dass sich das nicht lohnt.
Und jetzt ist das also Makulatur, die SBB steigt aus. Aus wirtschaftlichen Gründen und wegen mangelndem Kundeninteresse, heisst es auf Anfrage. Von den 100'000 Swisspass-Kundinnen und -Kunden, die ihr Konto mit der SwissID verknüpft hätten, würden nur rund 8000 den Dienst auch aktiv nutzen. Bei insgesamt um die fünf Millionen Swisspass-Kundenkonten eine zu tiefe Zahl für die SBB. «Man hat gemerkt, dass sich das nicht lohnt», sagt SBB-Sprecherin Jeannine Egi.
Ist die SwissID gescheitert?
Die Swisssign Group, die ausgerechnet SBB, Post und andere Unternehmen 2017 gegründet haben, gehört seit Herbst 2021 ausschliesslich der Post. Dort bedauert man den Weggang einer so bedeutsamen Kundin wie der SBB. Diese sei tatsächlich eine wichtige Partnerin gewesen, trotz der verhältnismässig wenigen Kundinnen und Kunden, sagt Post-Sprecherin Léa Wertheimer.
Man könne die SwissID deswegen aber nicht als gescheitert bezeichnen. 2.2 Millionen Menschen in der Schweiz würden die SwissID nutzen – sie sei unterdessen für 200 Anwendungen verfügbar. Einzelne Banken und Versicherungen machen bei der SwissID mit – und auch auf den Portalen gewisser Kantone und Städte kann man sich mit der SwissID einloggen.
«Wir sind zuversichtlich, weitere hinzuzugewinnen», so Léa Wertheimer. Soeben habe man etwa Verträge mit einer Versicherung unterzeichnet. Mit der SBB will die Post im Gespräch bleiben, um die wichtige Kundin allenfalls doch wieder an Bord zu holen.
Plant die ÖV-Branche eine eigene E-ID?
Die SBB zieht sich also von der digitalen Identität der Schweiz vorerst zurück. Das zieht die Frage nach sich, ob es innerhalb der ÖV-Branche Pläne gibt, das Swisspass-Login Schritt für Schritt ebenfalls zur digitalen Identität aufzubauen – als Konkurrenz zur SwissID.
Der Swisspass ist eine Kundenkarte – das hat nichts mit einer digitalen Identität zu tun.
«Nein, davon sind wir weit entfernt», hält Thomas Ammann von der Branchenorganisation Alliance Swisspass entsprechenden Gerüchten entgegen. «Der Swisspass ist eine Kundenkarte – das hat nichts mit einer digitalen Identität zu tun.» Weniger sicher als die SwissID sei das Swisspass-Login übrigens nicht.