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Karin Keller-Sutter über die «Ehe für Alle»
Aus Tagesschau am Vorabend vom 20.08.2021.
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«Ehe für alle» «Auch zwei Frauen können dem Kind das geben, was es braucht»

Eine deutliche Mehrheit würde im Moment für die «Ehe für alle» stimmen. Das wäre auch ein Sieg für den Bundesrat und die federführende Justizministerin Karin Keller-Sutter. Im Interview nimmt sie Stellung.

Karin Keller-Sutter

Bundesrätin

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Karin Keller-Sutter ist seit dem 1. Januar 2019 Mitglied des Bundesrats und seit 2023 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD). Die St. Gallerin wurde 1963 geboren, ist ausgebildete Dolmetscherin und Mittelschullehrerin. Bis 2000 arbeitete sie als selbständige Übersetzerin und Lehrbeauftragte einer Berufsschule. Von 2000 bis 2012 war die FDP-Politikerin Regierungsrätin des Kantons St. Gallen. Von 2011 bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat war Keller-Sutter im Ständerat.

SRF News: Frau Bundesrätin, Sie bezeichnen sich selber als praktizierende Katholikin. Haben Sie kein Problem, wenn gleichgeschlechtliche Paare die Ehe eingehen können?

Karin Keller-Sutter: Nein, überhaupt nicht. Der Herrgott hat alle Menschen geschaffen, alle Menschen sind gleich, also ist das für mich überhaupt kein Problem.

Was sagen Sie der Katholischen Kirche? Die ist ja dagegen, zumindest in den obersten Gremien.

Wir stimmen über eine zivilrechtliche Vorlage ab, es geht um die staatliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe und nicht um eine kirchenrechtliche Frage oder um ein Sakrament.

Was ist für Sie das wichtigste Argument in dieser Abstimmungsfrage?

Es geht um die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Paaren. Der Staat soll nicht beurteilen, wie man zusammenleben soll. Es ist ein persönlicher Entscheid, wie man sein Familienleben gestaltet. Und man sollte auch keine Bewertung über die sexuelle Orientierung von Ehepartnern abgeben.

Der umstrittenste Punkt in dieser Abstimmungsfrage ist die Adoption und noch mehr die Samenspende für lesbische Paare. Es wird argumentiert, dass der Kinderwunsch der gleichgeschlechtlichen Paare über das Kindeswohl gestellt werde. Können Sie das nachvollziehen?

Ein Kind braucht Fürsorge, Liebe und Zuneigung. Es braucht ein Umfeld, in dem man ihm Sorge trägt. Ich denke, dass auch gleichgeschlechtliche Paare diese Liebe und Zuneigung geben können. Die Qualität einer Beziehung ist entscheidend, und nicht die sexuelle Orientierung einer Mutter oder eines Vaters.

Die Qualität einer Beziehung ist entscheidend, und nicht die sexuelle Orientierung einer Mutter oder eines Vaters.

Es gibt ja nicht nur die Idealvorstellung einer klassischen Familie mit Mann, Frau und Kindern; es gibt 40 Prozent geschiedene Ehen, 20 Prozent der Kinder leben heute in Patchwork-Familien. Es wäre ein Affront und eine Beleidigung gegenüber solchen Familien, zum Beispiel Ein-Eltern-Familien, wenn eine Frau sich sehr bemüht, die Kinder alleine aufzuziehen, und man dann sagt, die Kinder bekommen nicht das, was sie brauchen, das Kindswohl sei gefährdet. Das finde ich nicht korrekt.

Die Gegner der Vorlage sagen aber, es sei für ein Kind immer noch das Beste, wenn es mit Vater und Mutter, also diesen beiden Geschlechts-Prinzipien, aufwächst.

Das ist eine Wertungsfrage. Man muss einfach anerkennen, dass heute die Realität eine andere ist. Natürlich hat der Staat ein Interesse, dass eine Familiengemeinschaft stabil ist, dass die Erziehung klappt, dass man die Verantwortung wahrnimmt. Aber auch zwei Frauen oder zwei Männer können diese Verantwortung wahrnehmen und dem Kind das geben, was es braucht.

Letztes Jahr haben wir über den Vaterschaftsurlaub abgestimmt. Da wurde immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass sich die Väter engagieren, dass sie präsent seien. Jetzt spielt das offenbar keine Rolle mehr – sagen die Gegner.

Wenn zwei lesbische Frauen ein Kind haben, ist logischerweise kein Vater präsent. Aber wichtig ist doch das Umfeld: Es gibt Freunde, es gibt Bekannte, das Kind hat Freunde in der Schule, das gesamte Umfeld muss stimmen, damit ein Kind gefördert wird und gedeihlich aufwachsen kann. Aber ich akzeptiere, wenn jemand eine andere Wertvorstellung hat.

Ursprünglich waren Sie, war der Bundesrat ja auch gegen die Samenspende für lesbische Paare. Warum haben Sie umgeschwenkt?

Es wurde ein Kompromiss gefunden, dass nämlich die Samenspende nicht anonym sein darf, damit die Mutterschaft beider Frauen anerkannt wird. Dafür habe ich mich sehr eingesetzt, weil das Recht auf das Wissen der eigenen Abstammung ein Grundrecht ist, das in der Verfassung verbrieft ist. Ein Kind hat, das ist jetzt schon der Fall, das Recht, wenn es 18 Jahre alt ist, beim Bundesamt für Justiz das Register der Samenspender einzusehen und zu sehen, wer sein biologischer Vater ist.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

Tagesschau, 20.08.2021, 18 Uhr ; 

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