Forschende haben in Indonesien einen verwundeten Orang-Utan beobachtet, der sich selbständig mit einer Heilpflanze verarztete. Es sei das erste Mal, dass ein solches Verhalten von einem wild lebenden Tier dokumentiert wurde, heisst es dazu in der Fachzeitschrift «Scientific Reports». Der Menschenaffe schmierte die Flüssigkeit einer zerkauten Liane auf eine Verletzung im Gesicht. Die Wunde schloss sich innerhalb einer Woche. Wissenschaftsredaktor Sandro Della Torre ordnet das Verhalten des Orang-Utans ein.
Wie kommt ein Orang-Utan darauf, eine Pflanze zum Verarzten einer Wunde zu nutzen?
Wir wissen es nicht. Die Forschenden haben beobachtet, dass die Wundbehandlung länger dauerte. Der Orang-Utan hat sieben Minuten lang Blätter zerkaut und immer wieder den Saft in die Wunde geschmiert. Das war also einigermassen mühsam. Am Schluss hat er die Wunde noch zugedeckt mit Blättern. Wir wissen nicht, ob das bewusst geschehen ist, aber für die Forschenden deutet es darauf hin, weil es ein relativ langer und schwieriger Prozess ist.
Wie geben Tiere solche Fähigkeiten wie die Nutzung von Heilpflanzen an ihre Artgenossen weiter?
Die meisten Tiere lernen durch Abschauen. Das ist auch beim Orang-Utan so. Sie schauen besonders im jungen Alter, was die Eltern machen, und ahmen sie nach. Das nennt sich soziales Lernen. So lernen sie zum Beispiel, was sie wie fressen müssen oder auch, wie sie ihre Nester bauen sollen. Ob der Orang-Utan diese Art der Wundversorgung abgeschaut hat, wissen wir nicht, weil es das einzige Mal ist, dass so etwas beobachtet wurde. Aber es scheint unwahrscheinlich, dass man ausgerechnet jetzt den ersten Orang-Utan beobachtet hat, der diese Art von Wundversorgung erfunden hat.
Welche ähnliche Verhaltensweise gibt es im Tierreich?
Die meisten Beispiele sind von Menschenaffen bekannt. Es gibt Schimpansen, die sich mit Blättern Blut von Wunden abwischen. Es gibt auch Schimpansen, die spezielle, bittere Blätter eines Baumes essen, wenn sie Malaria haben. Wenn Schimpansen, Bonobos und Gorillas von Würmern befallen sind, dann schlucken sie bestimmte Blätter. Es gibt aber auch andere Tiere, zum Beispiel Spatzen oder Finken, die Zigaretten sammeln und sich ins Nest legen. Das darin enthaltene Nikotin schreckt dann Milben ab. Es gibt also einige Beispiele und die Fachwelt diskutiert darüber, wie sehr das ein Zeichen von Intelligenz ist oder wie sehr da der Zufall zusammen mit der Evolution mitspielt.