- Die «Ehe für alle», über die am 26. September abgestimmt wird, geniesst derzeit in der Bevölkerung grosse Unterstützung.
- In der ersten SRG-Umfrage sprechen sich 69 Prozent für die Vorlage aus, 29 Prozent sind dagegen. Ein Meinungsumschwung ist unwahrscheinlich.
- Nur Angehörige christlicher Freikirchen und die SVP-Basis lehnen die gleichgeschlechtliche Ehe mehrheitlich ab.
Gemeinsam mit Italien bildet die Schweiz eine Insel in Westeuropa, wenn es um die «Ehe für alle» geht: In beiden Ländern ist nur die eingetragene Partnerschaft möglich. Die gleichgeschlechtliche Ehe – verbunden mit entsprechenden Rechten und Pflichten – existiert nicht.
Bald könnte unser südlicher Nachbar alleine dastehen – wenn man vom Vatikan und weiteren Kleinstaaten absieht: So sprechen sich gemäss der ersten SRG-Umfrage über zwei Drittel der Befragten für die «Ehe für alle» aus.
Breite gesellschaftliche Akzeptanz
Für Martina Mousson vom Forschungsinstitut gfs.bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat, ist eine Annahme der Vorlage damit sehr wahrscheinlich. «Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, gerade auch junge Menschen sind mit einer grossen Selbstverständlichkeit damit aufgewachsen. Heute sehen wir das Resultat davon.»
Ganze 72 Prozent der Befragten finden denn auch, dass die «Ehe für alle» ein längst überfälliger Schritt in Richtung Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare sei.
Für die Politologin reiht sich die «Ehe für alle» in eine regelrechte Abstimmungstradition ein: 2005 wurde über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare abgestimmt; auch beim Urnengang zum Antidiskriminierungsgesetz von letztem Jahr waren Schwule und Lesben ein Thema. «Und jedes Mal war die Unterstützung relativ breit. Die Ablehnung beschränkte sich auf die bekannten Kreise.»
Mehrheitlich gegen die «Ehe für alle» sind derzeit nur Angehörige von Freikirchen und die SVP-Basis, die damit der Parteispitze folgt. Demgegenüber sprechen sich auch Angehörige der reformierten und katholischen Kirchen klar für die zivile Ehe gleichgeschlechtlicher Paare aus.
Aber: Es gibt durchaus Elemente in der Vorlage, die polarisieren. So sollen gleichgeschlechtliche Paare künftig Kinder adoptieren oder per Samenspende zeugen dürfen. «Die Frage der Regenbogenfamilien liefert Stoff für Diskussionen», so Mousson. Konkret werde etwa debattiert, ob durch eine Samenspende für lesbische Paare den Kindern quasi per Gesetz der Vater verboten werde.
Auch in der politischen Mitte gibt es eine kritische Auseinandersetzung mit gewissen Aspekten der Kinderfrage. «Nährboden für Diskussionen gibt es noch bei der Wählerschaft der ‹Mitte› und der FDP», führt die Politologin aus. Hier gibt es starke Minderheiten von 45 bis 49 Prozent, die finden, dass Kinder Vorbilder aus beiden Geschlechtern brauchen und die Ehe als Verbindung von Mann und Frau betrachten.
Dass auf diesem Nährboden die Saat für einen Meinungsumschwung gelegt werden kann, sei aber angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse unwahrscheinlich, bilanziert Mousson.