- In der ersten SRG-Umfrage zur Abstimmung vom 26. September spricht sich eine knappe Mehrheit für die sogenannte «99-Prozent-Initiative» der Juso aus.
- Zurzeit wollen 46 Prozent ein Ja in die Urne legen, 45 Prozent sind gegen die Vorlage.
- Für das Forschungsinstitut gfs.bern ist ein Nein jedoch der wahrscheinlichere Fall. Der Kampf um den Mittelstand dürfte die Vorlage entscheiden.
Die Initiative Kapitalbesteuerung, auch «99-Prozent-Initiative» genannt, nimmt das reichste Prozent der Bevölkerung ins Visier: Wer von seinem Vermögen lebt, soll künftig mehr Steuern zahlen als jene, die in Lohn und Brot stehen. Kapitaleinkommen wie Zinsen, Dividenden oder Mieteinnahmen sollen deutlich höher besteuert werden.
Blanker Populismus, finden die Gegner – nur gerecht, die Befürworter: Die Forderung der Jungsozialisten wirbelt ordentlich Staub auf. Und tatsächlich verfängt sie gemäss der ersten SRG-Umfrage bei einer Mehrheit der Befragten.
Doch bevor Klassenkämpfer die Korken knallen lassen: Sympathie für Volksinitiativen hat in diesem frühen Stadium des Abstimmungskampfes fast schon Tradition.
(K)eine Frage der Gerechtigkeit
Denn, wie es Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern sagt, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat: «Im Normalfall baut sich das Nein jetzt erst richtig auf, vor allem Mitte-rechts». Von der Gerechtigkeitsfrage dürfte sich die Debatte nämlich zunehmend auf die vermeintlichen Schwächen und Risiken der Vorlage verlagern.
Um den Normalfall abzuwenden und einen Sonderfall herbeizuführen, werden die Befürworter also einen langen Atem brauchen. Die gute Nachricht: Sie haben dafür zugkräftige Argumente auf ihrer Seite.
So findet eine knappe Mehrheit der Befragten, die neue Steuer schaffe eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes zwischen Arm und Reich. Und 64 Prozent sind der Ansicht, dass eine steuerliche Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen auch der Wirtschaft zugutekommt.
Das Ringen um den Mittelstand
Die Umfrageergebnisse belegen, dass die Identifikation mit dem Mittelstand in der Schweiz sehr hoch ist. Und genau hier setzen auch die Gegner an: Sie warnen, dass eine neue Steuer nicht nur die Reichen, sondern auch ebendiesen Mittelstand treffe – ein Argument, das bei 55 Prozent Befragten zieht (35 Prozent Nein).
Ein weiteres populäres Gegenargument: Die neue Steuer gefährdet die Erholung vom Corona-Schock. Gerade bei KMU-Vertretern könnte sich entsprechende Skepsis breitmachen, sagt Politikwissenschaftler Golder. «Im Corona-Kontext hat der Mittelstand gewisse Bedenken, dass auch er unter die Räder kommen konnte.»
Im wirtschaftsliberalen und rechtsbürgerlichen Lager holen die Gegner mit ihren Warnrufen hohe Zustimmungswerte. Starke Mehrheiten verzeichnet die Initiative bei der Basis von SP und Grünen, doch schon bei der GLP beginnt die Unterstützung zu bröckeln.
Die Stimmabsichten folgen damit weitgehend den Parteiparolen. Ein wichtiger Faktor ist aber auch die finanzielle Situation eines Haushaltes: Je höher das Einkommen, desto geringer fällt die Zustimmung zur Vorlage aus.
Entscheidend wird also der Kampf um den Mittelstand sein. Heisst für die Befürworter: Sie müssen glaubhaft machen, dass nur die Reichen zur Kasse gebeten werden. «Die Ja-Seite muss die Menschen davon überzeugen, dass es nicht einfach eine linke Initiative ist – sondern eine gute Idee für den Mittelstand», schliesst der Politologe. «Ich sehe aber die besseren Chancen bei der politischen Rechten und wirtschaftsnahen Kreisen.»