Um 5:30 Uhr klingelt Jasmin Röschs Wecker. Umdrehen, weiterschlafen und sich auf gleitende Arbeitszeiten verlassen liegt bei ihr nicht drin. Die Tiere warten. Nicht immer fiel es Jasmin einfach, sich aufzuraffen: «Ich konnte nicht mehr aufstehen, war extrem müde und habe nichts mehr auf die Reihe bekommen.» Die Diagnose: Depression.
Ich konnte nicht mehr aufstehen, war extrem müde und habe nichts mehr auf die Reihe bekommen.
Rückblickend, erkennt Rösch, habe sie die Arbeit als Bäuerin zu sehr romantisiert. Vor drei Jahren hatte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann den Hof seiner Eltern übernommen, inklusive Startschwierigkeiten: schlechtes Wetter zerstörte das Gemüse auf dem Hof und überhaupt musste das Anwesen erst auf Vordermann gebracht werden.
So wie Jasmin Rösch geht es vielen Landwirten und Landwirtinnen. Doppelt so häufig leiden sie an Burnout und Depression als der Rest der Bevölkerung – rund zwölf Prozent. Dies ergab eine Studie des Kompetenzzentrums des Bundes für landwirtschaftliche Forschung «Agroscope» bereits 2017. Auch jetzt, Jahre nach der Veröffentlichung der Studie, bestätigen der Schweizer Bauernverband sowie der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband die Dringlichkeit des Problems.
Mehrfachbelastung als Ursache
Die Gründe sind vielfältig, wie eine Onlineumfrage der Ostschweizer Fachhochschule OST aus dem Jahr 2021 zeigt: Finanzielle Probleme im Betrieb, wie Schulden und der gesellschaftliche Druck beschäftigt viele. Auch das Einhalten rechtlicher Vorschriften, administrative Aufgaben sowie Konflikte aufgrund der engen Verflechtung von Arbeit und Familie wurden unter anderem als belastend angegeben.
Laut Monika Lorez-Meuli, Projektmitglied «Burnout Prävention in der Landwirtschaft» der Ostschweizer Fachhochschule, seien es meist mehrere der genannten Faktoren, welche die psychische Gesundheit beeinflussen und das «Fass zum Überlaufen bringen» (siehe Infobox).
Ältere Bauern und Bäuerinnen haben früher häufig nicht wirklich gelernt, über solche Themen zu reden.
Falsche Resilienz
Nur schon über psychische Befindlichkeiten zu reden, sei in der Landwirtschaft nicht immer einfach, erzählt Betriebsleiterin Jasmin Rösch. Eine Gefühlsblindheit, getragen von den älteren Generationen, schwinge stetig mit.
Auch Monika Lorez-Meuli bestätigt, dass die jüngere Generation offener bezüglich der eigenen mentalen Gesundheit ist: «Ältere Bauern und Bäuerinnen haben früher häufig nicht wirklich gelernt, über solche Themen zu reden. Ich denke, heute ist man sich dem schon viel bewusster und lernt teilweise bei der Ausbildung eine gewisse Sensibilität dem Thema gegenüber.»
Es ist in den Köpfen der Menschen, dass der Bauer einfach viel arbeitet. Es ist egal, wie es ihm geht, es ist egal welches Wetter ist.
Für Jasmin Rösch ist dies aber nur der Anfang: «Es braucht auch Menschen aus der Landwirtschaft, die offen über Befindlichkeiten reden. Es ist in den Köpfen der Menschen, dass der Bauer einfach viel arbeitet. Es ist egal, wie es ihm geht, es ist egal, welches Wetter ist. Es wird oft der Eindruck vermittelt, dass es in Bauernkreisen keine psychischen Probleme gibt.»