Sarah Hulliger sitzt mit ihrer Mutter auf dem Sofa, als das Telefon klingelt. Vor ihr liegt das Foto einer Hündin. Am anderen Ende der Leitung: eine Kundin, die bisher noch keine Erfahrung mit Tierkommunikation hat.
Margrit Hulliger, Sarahs Mutter, hält eine Liste mit Fragen bereit und unterstützt sie während des Gesprächs. Zunächst nimmt Sarah Kontakt mit der Hündin auf, indem sie ihr durch das Foto kurz in die Augen schaut. Nach einigen Sekunden sagt Sarah: «Ich bin bereit.»
Auf die Frage, wie es der Hündin gehe, antwortet Sarah mit einer leicht veränderten Stimme, die die der Hündin nachahmt. Die Hundebesitzerin stellt ihre Fragen. Sarah gibt Antworten, die sie durch das Tier erhalte. So entsteht über Sarah ein halbstündiges Gespräch zwischen der Hündin und ihrer Halterin.
Im Laufe des Gesprächs teilt die Hündin laut Sarah ihre Empfindungen mit: welche Körperstellen schmerzen, ob ihr das Futter passt und wie wohl sie sich in ihrem Zuhause fühlt. Zum Abschluss des Gesprächs kehrt Sarah zu ihrer eigenen Stimme zurück und fasst die wichtigsten Erkenntnisse noch einmal zusammen. Es habe sich herausgestellt, dass die Hündin beim Laufen ein Pieksen im Bein verspüre, laut Sarah ist dies nicht besorgniserregend und erfordert keinen Besuch beim Tierarzt.
Tierkommunikation per Telepathie
Sarah erklärt, wie sie zu den Aussagen komme: «Ich höre die Stimme des Tieres in meinem Kopf, wobei bei mir der Hellsinn des Hörens besonders stark ausgeprägt ist.»
Für ein halbstündiges Gespräch verlangen Mutter und Tochter 130 Franken. Sie führen täglich etwa drei Gespräche. Vor einem Jahr gründeten sie ein Unternehmen, wovon sie mittlerweile leben können. Mithilfe von Videos auf Social Media gewinnen sie regelmässig neue Kundinnen.
Ein zentraler Aspekt der Tierkommunikation sind laut Befürwortern Beweise. Die Tierkommunikatorin müsse der Besitzerin Informationen liefern, durch die das eigene Tier eindeutig erkannt werde.
SRF-Impact-Moderator Livio Carlin war bei mehreren Gesprächen dabei und hat es selbst ausprobiert. Ihm fehlten jedoch die konkreten Beweise: «Die Informationen bleiben sehr allgemein und könnten auf viele verschiedene Tiere zutreffen.»
Tierkommunikation im Aufschwung
Trotz fehlender wissenschaftlicher Beweise erlebt die Tierkommunikation einen Aufschwung, wie mehrere Schulen, die entsprechende Lehrgänge anbieten, bestätigen. Immer mehr Menschen interessieren sich für den ungeschützten Beruf der Tierkommunikatorin und absolvieren die Ausbildung.
Tanja Bärtschiger, Schulleiterin einer solchen Schule, ist überzeugt: «Jeder Mensch kann telepathisch mit Tieren kommunizieren.» Laut ihr beruht die Tiertelepathie stark auf Intuition – man nehme über ein Foto das Befinden des Tieres wahr und erhalte auf verschiedene Weise Informationen.
Bärtschiger kommuniziert jedoch anders als Sarah mit den Tieren. Sie übermittelt den Tierbesitzern mithilfe ihrer eigenen Worte die Bilder und Gefühle, die ihr das Tier sendet.
Sarah ist davon überzeugt, dass ihre Fähigkeiten in der Tierkommunikation telepathischer Natur sind. Auf die Frage, ob sie sich nicht einfach gut mit Tieren auskenne, erklärt sie, dass sie keinerlei Vorinformationen über die Tiere erhalte und die meisten Gespräche telefonisch stattfänden.