Selbst Leute, denen der Name Jean-Louis Trintignant nichts sagt, erinnern sich an die Figur des stummen Silence in Sergio Corbuccis bahnbrechenden Italo-Western «Il grande Silenzio» von 1968. Ob sie den Film gesehen haben oder nicht. Denn der Mann, der nicht spricht, dafür aber umso präziser tötet, ist zu einem Western-Topos geworden. Und Trintignants Gesicht neben dem von Klaus Kinski auf dem Plakat zu Pop-Art.
Erzähler in «Das weisse Band»
Dabei war die Stimme, das schmeichelnde, sonore, autoritäre oder gar schnarrende Sprechen eines der zahlreichen grossen Talente des Mannes, der eigentlich ursprünglich lieber Autorennfahrer werden wollte. Trintignants Stimme brachte ihn im hohen Alter auf die Leinwand zurück, als er sich von der Filmerei längst verabschiedet hatte: Der Österreicher Michael Haneke machte ihn zum Erzähler im Film «Das weisse Band» (2009).
Und aus der Zusammenarbeit ergab sich dann die Rolle, mit der er sich vor zehn Jahren, als 81-Jähriger, noch einmal der ganzen Welt in Erinnerung rief. «Amour» von Michael Haneke gewann 2012 die goldene Palme in Cannes und im Frühjahr darauf den Oscar, zusammen mit der damals schon 85 Jahre alten Emmanuelle Riva spielte sich Trintignant noch einmal in die Herzen des Publikums als liebendes altes Ehepaar – das der Unerbittlichkeit des Alters und des Zerfalls nicht mehr ausweichen kann.
Rolle als Ehemann von Brigitte Bardot
Dabei hatte der in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene Trintignant nicht nur früh schon Talent und Beharrlichkeit bewiesen, sondern auch ganz einfach Glück. Eine seiner ersten Filmrollen spielte er als Ehemann von Brigitte Bardot in Roges Vadims «Et Dieu… créa la femme» («Und ewig lockt das Weib», 1956), in jenem Film, der Brigitte Bardot zum Sex-Symbol und Weltstar par excellence machte.
Zehn Jahre und 26 Filme später kam dann «Un homme et une femme» von Claude Lelouch, die quintessentielle reife Liebesgeschichte, welche Trintignant (und Anouk Aimée) endgültig zu den globalen Leinwandgesichtern verschob.
Vom Charmeur bis zum Gangster
Jean-Louis Trintignant konnte gut aussehen und charmant sein, romantisch, hinreissend. Aber auch gefährlich, bedrohlich, ein Gangster, ein Voyou. Und er hat das im Verlauf seiner Karriere allen möglichen Filmgenres bewiesen, ab 1955, in jenem halben Jahrhundert, in dem das europäische Kino seine wildesten, schönsten und verrücktesten Blüten trieb.
Der Schauspieler, der sich zeitlebens eigentlich eher auf der klassischen Theater-Bühne sah, der Literatur liebte und Gedichte, hatte offensichtlich auch die nötige Abenteuerlust, um sich auf Experimente einzulassen. Er drehte mit fast jedem grossen Regisseur seiner Zeit. Er konnte aber auch bremsen. So hat er schliesslich die männliche Hauptrolle in Bertoluccis «The Last Tango in Paris» 1972 trotz viel Vorarbeit Marlon Brando überlassen – angeblich, weil Trintignants Tochter am Drehbuch Anstoss genommen hatte.
Eine Aura wie Paul Newman
Im Rückblick könnte man Jean-Louis Trintignants internationale Schauspieler-Aura wohl am ehesten mit jener von Paul Newman vergleichen. Wie Newman liess er stets seine eigene Persönlichkeit durchschimmern. Und wie Newman liebte und fuhr er Autorennen. In den nächsten Tagen wird Jean-Louis Trintignant wohl auf vielen Fernsehkanälen noch einmal aufleben. Mit den mehr als 127 Filmen seiner langen Karriere gibt es da mehr als genug Auswahl für ein vielfältiges Wiederentdecken.