Bis jetzt war es so: Wer zu einer Psychologin oder einem Psychologen wollte, musste jemanden aussuchen, der bei einer Ärztin oder einem Arzt arbeitet, damit die Grundversicherung bezahlt hat. Oder die Person musste bei seiner Krankenkasse eine Zusatzversicherung haben. Oder sie hat den Psychologen aus der eigenen Tasche finanziert.
Das sei störend, sagt Ursula Enderli. Sie führt in Zürich eine Praxis für Psychotherapie und Supervision. Sie habe immer wieder Leute abweisen müssen, weil diese nicht selber bezahlen konnten: «Ich finde es einfach nicht in Ordnung, dass Psychotherapien nur für Leute bezahlbar sind, die genügend Einkommen haben.»
Unsere Berechnungen mit verschiedenen Modellen und Kostenstudien gehen in Richtung 190 Franken.
Der Bundesrat ist dem Wunsch der Branche nachgekommen und hat das sogenannte Anordnungsmodell beschlossen. Das bedeutet, psychologische Psychotherapeuten – wie es korrekt heisst – können selber über die Grundversicherung abrechnen. Ein Arzt muss die Therapie lediglich noch anordnen.
Yvik Adler, Co-Präsidentin der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP), hat konkrete Vorstellungen, was Psychotherapeuten mit anerkannter Therapieausbildung verdienen müssten. «Unsere Berechnungen gehen in Richtung 190 Franken», sagt sie. Ähnlich wie Neuropsychologen oder Psychiater verdienen würden pro Stunde.
Der Modellwechsel führt ohnehin zu Mehrkosten von weit über 100 Millionen Franken. Die Leistung bleibt aber im Grunde dieselbe.
190 Franken seien viel zu viel, sagen die Krankenkassen. Matthias Müller ist Sprecher des Verbandes Santésuisse, der einen Stundenansatz von 135 Franken vorgeschlagen hat. Es sei ein fairer Ansatz, sagt er. «Der Modellwechsel führt ohnehin zu Mehrkosten von weit über 100 Millionen Franken. Die Leistung bleibt aber dieselbe.» Darum leuchte es auch nicht ein, weshalb alle Prämienzahlenden für die gleiche Leistung in Zukunft mehr bezahlen sollten.
Adler entgegnet, die Psychologinnen hätten künftig mehr Kosten zu tragen. Als neu selbstständig Erwerbende müssten sie beispielsweise ihre Sozialversicherungen oder die Miete der Praxis selber tragen. Weiter seien die Anforderungen gestiegen, in der Administration, aber auch in der Ausbildung.
Müller kontert, bis jetzt hätten Psychologen als Angestellte auch Lohnabzüge hinnehmen müssen. «Jetzt haben sie es selbst in der Hand. Wir gehen davon aus, dass die Kosten eher tiefer sind.»
Teilerfolg für die Therapeutinnen
Etwas anders als Santésuisse sieht es der zweite Krankenkassenverband Curafutura. Er hat zusammen mit dem Spitalverband H plus und den Berufsverbänden einen Kompromiss ausgehandelt. Allerdings ist das grosse Curafutura-Mitglied CSS nicht einverstanden und nicht an Bord. Der Kompromiss: Psychologische Psychotherapeutinnen sollen rund 155 Franken die Stunde abrechnen können. Bis Ende letzter Woche haben sechs Kantone diesen Ansatz verfügt.
In den anderen Kantonen herrsche noch Unsicherheit, sagt Adler, darum dürften einige Therapeuten auch damit zuwarten, neue Patientinnen und Patienten aufzunehmen. Das würde zum Versorgungsproblem in den betreffenden Kantonen beitragen.
Einige Kantone dürften in nächster Zeit den Kompromiss-Tarif ebenfalls verfügen. Damit ist die lange Geschichte jedoch nicht fertig. Es handelt sich um einen Übergangstarif. Das erklärte Ziel der Psychologinnen und Psychologen heisst aber: mehr Abgeltung. Die Krankenkassen bremsen. Die Gespräche gehen weiter.